Rundum verschalt und lasiert

„Die Heimwerker“ von Popp/Bergmann, Vatertag, ARD, 20.15 Uhr  ■ Von Manfred Riepe

Jeder fünfte Deutsche greift zu Bohrmaschine, Blattsäge und Schwingschleifer. Begeistert werkelt die Nation im Keller. Als Ausgleich für entfremdete Arbeit basteln Heimwerker an der „Verschönerung“ der eigenen vier Wände, lebenslänglich.

Die berüchtigte Kassettendecke wird von eigener Hand montiert. Laubsägearbeiten zieren die obligatorische Kellerbar. In jeder Ecke hängt ein „praktisches“ Sideboard, bestückt mit Zinnteller, Bierseidel und nicht zu vergessen: Salzteigbrezeln.

Auf ihrem liebevoll ironischen Streifzug durch deutsche Hobbykeller haben Mischka Popp und Thomas Bergmann Heimwerker in „Fachgespräche“ verwickelt. Stolz erläutert der Angestellte eines Chemiekonzerns aus Hochheim die Funktionsweise des von ihm entwickelten und gebauten „Schneckenzauns“. Damit die gefräßigen Weichtiere im Frühling nicht den frisch gepflanzten Salat vertilgen, hat der findige Bastler das Beet mit einem elektrischen Zwölf-Volt-Todesstreifen („auch sechs Volt möglich“) gesichert.

Wie urbane Höhlenforscher erkunden die Frankfurter Dok-Filmemacher Terra incognita: das deutsche Eigenheim. Mühevoll bahnt sich die wackelige Handkamera ihren Weg durch düstere, mit dunkel lasiertem Holz rundumverschalte Hochhauswohnungen, tastet sich enge, vollgestellte Wendeltreppen hinab in schwer zugängliche Bastelkeller. In einer Nische thront dort die Werkbank. Ein Altar, darauf alle Freizeit geopfert wird.

Mit rastloser Hingabe werden Vierkanthölzer verschraubt, Dielen gebeizt. Frau Becht aus Wiesbaden kommuniziert mit ihrem Ehemann im Tiefgeschoß nur noch per Gegensprechanlage: „Manchmal antwortet er nicht. Der Keller ist seine zweite Heimat. Er muß wurschteln.“

Boomende Baumärkte werden indes von stummen Gestalten frequentiert, die geistesabwesend nach Dreiviertelzoll-Gewinden und Schwingschleiferköpfen suchen. So mancher Bastelkeller ist ausgerüstet wie ein mittelständischer Betrieb.

Professionelle Handwerker passieren die Schwelle des Heimwerkers nur dann, wenn es gesetzlich vorgeschrieben ist. Etwa bei der Abnahme selbstinstallierter Gasöfen. Gelegentliche Unfälle („Die Fingerkuppe war total abgefräst“) geben der Werkelsucht erst die rechte Würze.

Der wache Blick der mehrfachen Grimme-Preisträger Popp/Bergmann gilt Dingen und Verhaltensweisen, die wir alle kennen — die sich jedoch vor unseren Augen unmerklich zur neurotischen Obsession gesteigert haben. Nach ihren Filmen über Nachbarschafts-Kriege (Giftzwerge, 1990) sowie den Großfinanz-Betrüger Steinhardt (Großwildjagd, 1991) beschließt Die Heimwerker — Bericht aus deutschen Höhlen eine Trilogie über alltäglichen Irrsinn. Die Grenze zwischen dem Gelegenheitstäter, der ab und an eine Rigipsplatte montiert und dem „Werkbank-Junkie“, der während der Urlaubsreise wegen der Entfernung zum vertrauten Bastelkeller von psychosomatischen Fieberanfällen heimgesucht wird, ist fließend. Es „bohrt“ in uns allen.

Die Heimwerker ist daher weder eine abstrakte Analyse („Wir kennen Analytiker, die tagsüber an den Patienten, und abends an der Werkbank herumschrauben“) noch eine schadenfrohe Denunziation der Sorte: Achtung Kamera! Was die hinreißend komische Realsatire in neun kleinen Episoden offenbart, ist ein Stück urdeutsche Mentalität.