Der Park der prahlerischen Pracht

■ Tausend Arten, tausend Farben:Ein letzter Blick auf die ersterbende Rhododendron-Blüte

„Ach, meine liebe Humboldt! Bismarck, du Blühende! Goldlack, wie schön glänzt du!“ - Nein, Frau Lederer aus dem Büro des Bremer Rhododendronparks findet eine solch leidenschaftliche Anrede ihrer Pflanzen doch recht unpassend. Warum eigentlich? Unter frühlingsgrünen Eichen, Buchen und Eschen stehen viele tausend Rhododendren und Azaleen in einer so farbenprächtigen Blüte, wie es sie seit zehn Jahren nicht mehr gegeben hat. So verschwenderisch und urwaldsfruchtbar verstäuben sie ihren Blütenstaub, verbreiten sie schwere, betäubende Düfte, recken sich in jeder Blüte die geilen Fruchtstempel mit knallrotem Köpfchen, daß man sie durchaus mit Leidenschaft lieben könnte.

Aber auch die vormittäglichen BesucherInnen, die langsam die gepflegten Irrgartenwege entlangwandeln und auf den Bänken im sanften Halbschatten ausruhen, auch sie machen nicht gerade einen „angetörnten“ Eindruck. Und selbst der Gärtner, so traumwandlerisch sicher er einzelne Pflanzen aufzufinden und zu benennen weiß, er bleibt doch einigermaßen kühl bei seinem Führungsrundgang und reißt nur hier und da Blättchen und Blüten zu Demonstrationszwecken ab.

„Goldlack, wie schön blühst du...?“ — Vielleicht ist etwas Zurückhaltung und prophylaktische Ernüchterung inmitten dieses asiatisch betörenden Farbenspiels angebracht. Die Blütezeit der Rhododendron, die plötzliche Farbexplosion in blau, lila, rot, rosa, orange, gelb, sie dauert ganze zehn Tage im Mai. Dann

hierhin bitte das

Foto von dem Parkgebüsch

mit Bank

schrumpeln die Kelche ein und bezahlen ihre prahlerische Pracht mit schlumpig hängender Häßlichkeit. Wie sollte wahre Leidenschaft eine solche Metamorphose ertragen?

Zu den Tatsachen also: Der Bremer Rhododendronpark ist der größte seiner Art in Europa. Von 1.000 Arten beherbergt er 600, von 14.000 Züchtungssorten finden sich 2.000 hier. Dabei wäre aus dem Parkgrundstück, das bis 1911 dem Bremer Kaufmann Rickmers gehörte, beinahe ein Wildpark geworden, und erst 1935, mit Gründung der Rhododendron-Gesellschaft,

hierhin bitte

die große Blüte

wurde er zum großen Schaugarten.

Nur eine majestätische Wisent-Skulptur zeugt noch von den planerischen Anfängen und bewacht melancholisch den Park. Die wirkliche Verantwortung hat die Stadt Bremen. Sie beschäftigt 36 Angestellte, für jeden Hektar des Geländes eine. Die Rhododendron-Gesellschaft kann sich freuen. Die Baumschulinhaber unter ihren Mitgliedern könnten sich keinen besseren „Sichtungsgarten“ wünschen . Die Rhododendren und Azaleen (das ist die nur sommergrüne Variante) brauchen für ihr pflanzentötendes Schattendach mehr Platz, als Baumschulen gemeinhin zu bieten haben; und Zeit brauchen sie, viel Zeit zum Wachsen. Je nach Untergrund (sauer muß er sein) und Klima (das nordwestdeutsche ist gerade richtig) dauert es 30 bis 50 Jahre, bis eine Rhododendron die stattliche Höhe von drei Metern erreicht hat. Wer ein Exemplar für seinen Garten erwerben möchte, findet mehr als genug Anschauungsmaterial im Bremer Park.

Aber natürlich gibt es noch andere Gründe, sich dem lockenden Reiz des Rhododendronparks auszusetzen, ahnungsvolle Nüchternheit hin oder her. Diese Tage läuten schon das Ende des Blütenrausches ein. Wer jetzt kommt, wird eine seltsame Verwirrstimmung erleben, halb Paradies und fast schon Friedhof (auf welchen Rhododendren nicht nur aus immergrünen Gründen so oft zu finden sind...) Cornelia Kurth

Fotos: Tristan Vankann