Zeit für den Wecker

■ Der Berliner Turnprofi Andreas Wecker ist pünktlich zu den Olympischen Spielen in Barcelona fit

Duisburg (dpa) — Der nur 1,63m große Uhrensammler Andreas Wecker ist der beste Turner des Landes. Der zweiundzwanzigjährige Profi aus Berlin gewann Anfang Mai in Limburg die 1.Olympia-Qualifikation, wurde am 17.Mai in Budapest Europameister am Reck und triumphierte nun auch am letzten Maiwochenende in Duisburg. Wecker gewann die 2.Qualifikation für Barcelona mit 116,10 Punkten vor Reck-Weltmeister Ralf Büchner (Hannover; 115,20) und Sylvio Kroll (Cottbus; 113,40), war bester deutscher Zwölfkämpfer mit 116,90 vor Büchner (116,60) und dem gebürtigen Rumänen Marius Toba (Hannover; 114,90) und krönte seine Superleistung am Sonntag mit der Deutschen Meisterschaft an den Ringen sowie zweiten Plätzen am Boden, Seitpferd, am Barren und einem — nach dem Sturz beim Kovacs-Salto — sechsten Rang am Reck.

Erfolgreicher als er war nur der vierundzwanzigjährige Wahl- Hannoveraner Marius Toba mit vier Titeln: Am Boden, an den Ringen, am Reck und am Barren. Der letzte „Vierer“ war zuletzt 1991 Wecker geglückt. Jens Milbradt (Halle) siegte am Seitpferd und Ralf Büchner beim Sprung.

Dabei hatte das Jahr für Wecker wenig verheißungsvoll begonnen. Nach einer schweren Angina im Februar mit hohem Fieber („eine Woche in meinem Leben fehlt mir“) und einem Gewichtsverlust von sieben Kilogramm konnte er erst Mitte April wieder voll trainieren. „So ein Programm mit praktisch vier Sechskämpfen ist kein Zuckerschlecken, stellt höchste Anforderungen an Physis und Psyche“, sagte der 1991 als vierfacher Deutscher Meister gekürte Wecker nach dem Vier-Tage-Marathon, der eine ungewöhnlich hohe Ausfallquote mit sich brachte: Mit Sylvio Kroll, Sven Tippelt, André Hempel und Oliver Walther stiegen gleich vier der sieben Olympia- Teilnehmer aus dem 2.Kürsechskampf aus. Der Grund: Bei leichten Blessuren kein weiteres Risiko eingehen.

In ärztliche Behandlung mußten sich auch noch Ralf Kern (Achillessehne), Mike Beckmann (Schulter), Peter Nikiferow (Fuß) und der WM-Dritte am Boden, Maik Krahberg (Fuß), begeben, Operationen stehen Andreas Heufelder (Kapselriß), Steffen Rammler (Jochbeinbruch) und Daniel Orlet bevor, der sich beim Doppelsalto-Abgang am Barren den Fußwurzelknochen brach, und dem damit lebenslanger Schaden droht.

Die Verantwortlichen ignorierten diese Ausfallquote. Bundeskunstturnwart Eberhard Gienger, mit 33 Titeln deutscher Rekord- Meister, sagte: „Einem Austrainierten dürfen diese vier Wettkampfabschnitte mit Pflicht und zweimal Kür und die Gerätfinals keine Probleme bereiten. Schließlich wollen wir uns auch in Barcelona durchbeißen.“ Und hier heißt das Ziel wiederum Medaille.

Sieben Turner wurden für Barcelona nominiert: Der alte und neue Zwölfkampfmeister Andreas Wecker, Sven Tippelt (Deilinghofen), Reck-Weltmeister Ralf Büchner, der 1988 noch für Rumänien startende Marius Toba, der dreifache Welt- und Europameister Sylvio Kroll (Cottbus), der bei der Olympiakür gleich zweimal vom Seitpferd abstieg, Oliver Walther und Mario Franke (beide Halle). Als Reservisten stehen Jens Milbradt (Halle), Andre Hempel (Cottbus), Mike Beckmann (Gevelsberg) und Enrico Ambros (Hannover) bereit.