Umwelt-Stakkato

■ „ZDF Spezial“ zur UN-Konferenz in Rio, Mo., 20.55 Uhr

Die Welt ist ein Scheißhaus.“ Diese in ihrer Konsequenz bislang unübertroffene Formel aus David Cronenbergs Videodrome gilt heute nicht mehr nur metaphorisch. Das nicht verkabelte 21.00-Uhr-Publikum, das nicht auf irgendwelche Spielfilm-Dröhnungen ausweichen konnte, mußte anhand eines Stakkatos von Hiobsbotschaften erfahren, daß unser schöner Blauer Planet alsbald von einer braunen Kruste aus Exkrementen der Wohlstandsgesellschaften überzogen sein wird.

Anlaß des ZDF Spezial war die UNO-Umweltkonferenz in Rio, deren rund zehntausend Teilnehmer mehr Energie verbraten als zehn Millionen Menschen in Bangladesch in einem Jahr. Beinahe im Videoclip- Rhythmus folgen schlechte Nachrichten von anderen Orten unseres Planeten. Kurzberichte von Menschen vergiftenden Chemiewerken in Bhopal/Indien, von Ölfirmen, die in Ecuador Ölschlamm gleichmäßig über den tropischen Regenwald verteilen, und von amerikanischen Umweltschützern, die vom Staat gemaßregelt werden, weil sie ihren Job ausnahmsweise ernst nehmen, und und und.

Je weiter der Film voranschritt, desto deutlicher wurde spürbar, wie peinlich die Autoren der einzelnen Berichte darum bemüht waren, den an allen Ecken und Enden sich aufdrängenden Begriff der politischen Ökonomie außen vor zu lassen. Offenbar stellte sich das Problem, wie man mit drastischen Meldungen (die am Ende in einen unfreiwillig komischen Low-Budget-Horrorclip gipfelten) die Leute möglichst betroffen machen kann — ohne daß der Zuschauer vor der Glotze von der Einsicht geplagt wird, daß er höchstselbst schuld an dem ist, was er da sieht. Es ist der Gipfel des Zynismus, von „Umwelt“ zu reden, da doch die Vernichtung von Lebensraum durch Industrierückstände nur das letzte Glied in der Kette der Übervorteilung der südlichen Hemisphäre durch die westlichen Industriestaaten bildet.

Insofern waren die zaghaften Hinweise auf die Notwendigkeit einer neuen Weltwirtschaftsordnung sowie den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und „Rettung“ in Entwicklung befindlicher Staaten viel zu marginal, als daß die tatsächliche Zusammenhänge klargeworden wären: Mit Ausnahme des Berichts von Peter Kunz, der es wagte, die „geistige Einbahnstraße“ eines Chemielaboranten anzuprangern, der in seinem materiellen Überfluß ein gutes Gewissen hegt, weil er „weiß“, daß letztlich nur die Überbevölkerung an allem Elend dieser Welt schuld ist und es deswegen vollkommen für die Katz wäre, auch noch die Dritte Welt mit der Plage des Wohlstands zu belasten. Halleluja.

Manfred Riepe