„Jeder Tropfen zählt“: Wassernot in Hessen

■ Grundwasserstände sinken kontinuierlich/ Wassernotstand steht im Taunus bevor

Frankfurt/Main (taz) — Meteorologen aus dem Wetteramt in Offenbach prognostizieren den heißesten Sommer seit Jahrzehnten. Der Wassernotstand droht — und nicht nur der Zukunftsforscher Robert Jungk glaubt, daß Wasser nach der Jahrtausendwende zu einem der kostbarsten „Güter“ auch auf der nördlichen Halbkugel dieses Planeten werden wird. Im Taunus und im Odenwald schlagen Kommunalpolitiker schon heute Alarm: Quellen versiegen, Bäche sind zu dürftigen Rinnsalen verkommen — und in ganz Hessen muß immer tiefer nach Grundwasser gebohrt werden. Wie Umweltminister Joschka Fischer mitteilte, sei der Grundwasserspiegel in verschiedenen Regionen des Landes bereits „bedrohlich gefallen“. Die Grundwasserstände näherten sich schon vor Sommeranfang dem Niveau des extremen Trockenjahres 1976. Der Minister forderte alle Bürgerinnen und Bürger — „aber auch die Industrie und die Dienstleistungsbetriebe“ — auf, Wasser zu sparen: „Nur noch der sparsame Umgang mit dem kostbaren Naß kann heute einen Trinkwassernotstand in naher Zukunft verhindern.“

Für den Hochtaunuskreis hat diese „nahe Zukunft“ schon begonnen: Der Landrat kündigte die Ausrufung des Wassernotstandes noch für diese Woche an. Dann werden in der Nacht nur noch Wassertröpfchen aus den Hähnen kommen. Und aufs Autowaschen und Rasensprengen und das Auffüllen der Pools in den Vilenvierteln müssen die gutbetuchten BewohnerInnen ganz verzichten.

Daß sich die Situation an der Wasserfront in den nächsten Jahren noch dramatisch verschärfen wird, belegt eine Statistik der Stadt Kassel: Während vor zehn Jahren noch exakt 1.000 Milliliter Niederschläge pro Jahr auf das Stadtgebiet registriert wurden, waren es 1991 nur noch 504 Milliliter. Inzwischen wird in Kassel das Wasser der Fulda dazu genutzt, den gesunkenen Grundwasserspiegel auf einem Niveau zu halten, das eine Wasserentnahme im bisherigen Umfang weiter erlaubt. Und auch im südhessischen Ried, dem größten Wasserreservoir des Rhein-Main- Gebietes, mußte eine Rheinwasser- Versickerungsanlage gebaut werden, um die Wasserversorgung der ökonomisch potentesten Region der Republik zu gewährleisten. Doch trotz der in sechs Klärstufen gereinigten Rheinwasser sinkt der Grundwasserspiegel auch im Ried kontinuierlich. Deshalb dürften Neubau- und Industriegebiete in der Region eigentlich nicht mehr ausgewiesen werden, so ein Wasserexperte aus dem Landratsamt Groß-Gerau. Alleine in den letzten fünf Jahren seien 150.000 Menschen in den Großraum Frankfurt gezogen — und das bedeute einen Mehrverbrauch von Wasser von etwa 12 Millionen Kubikmeter pro Jahr: „Noch mehr Menschen können hier nicht mehr im gewohnten Umfang mit Trink- und Brauchwasser versorgt werden.“

Umweltminister Fischer hat jetzt eine Wassersparbroschüre drucken lassen. Falls die BürgerInnen alle angebotenen Wassersparmaßnahmen realisieren sollten, hofft der Minister auf eine Senkung des Wasserverbrauchs von heute 145 Liter pro Tag und Person auf 75 Liter. Mit einer Grundwasserabgabe, die — nach mehreren Pannen — in der nächsten Woche im Landtag verabschiedet werden soll, will die Landesregierung den sparsamen Umgang mit Wasser auch über den Geldbeutel der BürgerInnen steuern, denn „jeder Tropfen zählt“ (Fischer). kpk