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Hansawelle verliert die Hälfte der Hörer

■ Infratest-Umfrage ermittelt Einbruch des öffentlich-rechtlichen Radios / Rücktritt in Hannover

Im letzten Jahr hat das 1. Programm von Radio Bremen, die „Hansawelle“, fast die Hälfte ihrer HörerInnen verloren. Im Land Bremen sank die durchschnittliche Zahl der Hörer pro Stunde von 80.000 im Jahr 1991 auf jetzt nur noch 44.000. Insgesamt hören die Hansawelle statt 220.000 Menschen in Norddeutschland jetzt nur noch 124.000 — ein Verlust von 44 Prozent. Diese Zahlen ergeben sich aus einer repräsentativen Befragung von 7.000 Personen in allen norddeutschen Bundesländern, die von Februar bis März im Auftrag mehrerer Privatsender von dem Münchener Marktforschungsinstitut „Infratest“ durchgeführt worden ist.

Großer Gewinner ist das neue Privatprogramm „Antenne Niedersachsen“. Es konnte sich im letzten Jahr um 33 Prozent auf heute 173.000 niedersächsische Hörer ausbreiten. Gleichzeitig verlor das öffentlich-rechtliche „Radio Niedersachsen“, das 1. Programm des NDR, 500.000 tägliche Hörer und rutschte damit in der Hörergunst auf Platz drei hinter Radio ffn ab. Mit einem Anteil an allen Radiohörern von 47 Prozent konnte sich allerdings NDR-2 als meistgehörte Welle in Norddeutschland behaupten.

Während die Privatradios „ffn“ und „Antenne Niedersachsen“ das Umfrageergebnis gestern als großen Erfolg feierten, führte es im NDR-Funkhaus in Hannover zu einem Rücktritt. Jürgen Köster, seit 1987 Hörfunkchef und verantwortlich für den NDR 1-Sender „Radio Niedersachsen“, bat um seine „sofortige Entbindung“ von allen Pflichten. Er sehe „keine Möglichkeit mehr für eine erfolgreiche Arbeit“, erklärte er gestern, schließlich sei er eingestellt worden, „um ein professionelles Radio zu machen“.

Vorausgegangen waren monatelange interne Streitereien zwischen Köster und der Hannoveraner Funkhauschefin Lea Rosh. Sie machte Köster gestern selber für den Mißerfolg des NDR- Programms verantwortlich: „Ich sehe in seiner Erklärung auch den Versuch, die bisherige Arbeit der Hörfunkredaktionen im Landesfunkhaus Niedersachsen zu diffamieren“, teilte Rosh mit, „diese Redaktionen hatte er bislang selbst geleitet.“

In Bremen, wo das öffentlichrechtliche Radio noch schwerere Verluste hinnehmen mußte als in Niedersachsen, wurde die Infratest-Untersuchung gestern unterkühlt kommentiert. Schließlich hat die eigentlich verantwortliche Hörfunk-Programmdirektorin Carola Sommerey rechtzeitig das sinkende Schiff in Richtung Leipzig verlassen. Und ihr Nachfolger Hermann Vinke befindet sich zur Zeit im Pfingsturlaub.

Lediglich Justitiar Heiner Thies wollte gestern bestätigen, daß „Radio Bremen Einbußen zu verzeichnen hat“. Den Infratest- Zahlen mißtraut er allerdings schon deshalb, weil sie von der Konkurrenz in Auftrag gegeben worden sind. Er möchte lieber auf die von den öffentlich-rechtlichen Sendern selber bezahlte Höreranalyse warten, die am 16. Juni veröffentlicht werden soll.

Die klärt dann womöglich auch die Frage, was BremerInnen heute im Radio eigentlich hören. Denn alle von Infratest untersuchten Programme haben zusammengerechnet in Bremen 28.000 HörerInnen verloren. Zwar wurde auch in ganz Norddeutschland ein leichter Rückgang beim Radiohören festgestellt, aber die Bremer Zahlen lassen sich dadurch nicht erklären. Möglich wäre allerdings, daß in Bremen inzwischen mehr Radioprogramme gehört werden, die nicht ständig durch Werbespots unterbrochen werden. Denn nach denen hatte Infratest gar nicht erst gefragt. Dirk Asendorpf

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