AUS POLNISCHER SICHT: Après Ski Le Deluge
■ Reichtum darf nichts kosten auf diesem Planeten
Den ganzen Monat Juli über finden in Krakau Theateraufführungen, Konzerte, Ausstellungen und Seminare des ersten »Europäischen Kulturmonats« statt. Das Programm ist sehr interessant, umfaßt die Tage der jüdischen Kultur im Krakauer Bezirk Kazimierz, eine Witkay- Woche, eine Bruno-Schulz-Woche, das Kurzfilmfestival, eine Biennale der Kunst der Behinderten und vieles andere. Das Festival, während der Krakauer KSZE-Konferenz im letzten Jahr ins Leben gerufen, sollte eine Anbindung Krakaus und Polens an das sich entwickelnde, vereinigende Europa fördern.
Die europäische Euphorie ist jedoch dahin. Die Kultur des alten Kontinents zeigt sich von der häßlichsten Seite — auf der Straße in Sarajevo und in den Wahllokalen Dänemarks: der nationale Wahnsinn der Serben und die Überheblichkeit der reichsten EG-Bürger, die von ihrer Liberté Gebrauch machen, indem sie Egalité und Fraternité streichen. Europa? Ja! Aber nur, wenn's nichts kostet und Gewinne bringt. Muß das wirklich immer stimmen, daß, je reicher man ist, man um so weniger bereit ist, mit anderen zu teilen? Sich ein wenig zu beschränken? Die USA, der größte Umweltverschmutzer und Energieverschwender, nehmen das Scheitern eines letzten Versuchs in Kauf, diesen Planeten zu retten, der fetischistischen Idee des Wirtschaftswachstums wegen: »Lieber weniger Lebensarten als weniger Automodelle«. Wozu brauchen die Amerikaner auch eine Artenvielfalt? Ihnen reichen doch die Rinder, der Weizen und die Gen- Tomate, die restlichen Hamburgerzutaten kann man doch synthetisch produzieren.
Wieso sollten die Reichen überhaupt verzichten? Vielleicht klappt es noch einmal, und die Armen werden unsere Rechnung bezahlen? Es gibt doch Aids, Hunger, Naturkatastrophen, Lokalkriege, den Papst. Irgendwie wird, nach dem Prinzip der natürlichen Auslese, das Gleichgewicht schon wieder hergestellt werden, ohne daß wir, die Reichen, irgend etwas ernstlich unternehmen müssen. Und wenn es nicht klappt? Dann helfen unsere Bemühungen auch nicht. Also: carpe diem: Macht die Märkische Schweiz zum Flugplatz und die Alpen zu Skipisten! Après ski le deluge! Piotr Olszowka
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