Nazi-Kriegsverbrecher stellt Gnadengesuch in Sachsen-Anhalt

Magdeburg (taz) — Ein kompliziertes Problem darf sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Werner Münch (CDU) mit in die Pfingstferien nehmen. Seit gestern liegt ihm nämlich das Gnadengesuch des NS- Kriegsverbrechers Manfred Pöhlig vor. Der heute 77jährige war 1941 als Truppführer eines Nachrichtenzuges des Polizeibataillons 304 in der Ukraine an der Erschießung von über 5.000 sowjetischen Juden beteiligt. Einen hat er auf Befehl auch selbst erschossen. Die DDR-Justiz verurteilte ihn wegen Mordes und Beihilfe zum Mord 1988 zu lebenslanger Haft. Seitdem sitzt er in der Haftanstalt Bautzen, die er auch nicht zu seiner Kassationsverhandlung verließ.

Nach der Wende hatte Pöhlig beim frisch eingeführten Rechtsstaat die Aufhebung des Urteils beantragt. Aber die Richter des Bezirksgerichts Magdeburg bestätigten vor wenigen Tagen das Urteil der DDR-Justiz. Es sei vollkommen auf rechtsstaatlichen Prinzipien aufgebaut, heißt es in der Ablehnung des Antrages. Der Staatsanwalt durfte in der Kassationsverhandlung auch noch öffentlich „das Wangentätscheln von Nazis“ durch westdeutsche Richter kritisieren. Pöhlig bleibt sitzen, und Werner Münch darf in der nächsten Zeit meterweise Prozeßakten durchblättern. „Eine solche Entscheidung schüttelt man nicht aus dem Ärmel“, sagte Regierungssprecher Gerd Dietrich. Der Ministerpräsident werde vor seiner Entscheidung über das Gnadengesuch Pöhligs alle Akten genau durcharbeiten und sich überdies auch Rat aus dem Justizministerium holen. Das muß natürlich für einen kompetenten Hinweis die Akten ebenfalls durcharbeiten. Und bis das alles getan und gelesen ist, hat sich der Fall des 77jährigen Kriegsverbrechers womöglich von selbst erledigt. Pöhlig sei schwer krank, klagte dessen Anwalt in der Kassationsverhandlung. E. Löblich