STANDBILD
: Wo bitte geht's zum Unrechtsstaat?

■ Der zweite Ost-Tatort, Montag, 20.15Uhr in der ARD

Nicht nur, daß der Dresdner Hauptkommissar Ehrlicher so aussieht wie ein in die Jahre gekommener Gemüts-Diestel. Nein, auch diese unsere Einheit, die bringen er und seine Genossen vom Mitteldeutschen Rundfunk dem Fernsehvolk mit rotsockigem Humor und ungewendeter Ästhetik von Folge zu Folge bedrohlich näher. Ihr Ziel: Das Tal der Ahnungslosen am Rhein. „Das Ganze ist doch eine Farce“, ruft der Bonzen-Professor Weinkauf am Ende von Der Tod aus der Vergangenheit resigniert aus. Er meint tatsächlich das Ganze, und das, was da zusammenwächst, ist — wie ärgerlich — völlig an ihm vorbeigewuchert. Da steht er nun mit der Last seines Gewissens und ohne das geldwerte Patent, ausgebootet von seiner westlichen Geschäftspartnerin und Liebhaberin (eiskalt: Renan Demirkan). Die hat auch die rechte Hand des Profs, den technischen Leiter Bohm, gleich mit abgelinkt und im Bett hatte sie ihn auch. — Die Westlerin, skrupelloser als zwei hochkarätige Altlasten. Wo bitte geht's zum Unrechtsstaat? Der zweite Ost-Tatort bot einen Querschnitt durch aktuelle Gemütslagen und Problemschichten: Ein patentierter Computerbaustein, eine Ostlerin, die Gerechtigkeit will und in den Tod getrieben wird, ein vertuschter Autounfall aus der Vorwendezeit (Kurt Masur läßt grüßen!) sowie ein Nationalpreisträger, der sein Kollektiv verraten hat und davon auch in der neuen Zeit profitieren will. Die Vergangenheit, die uns beim ersten mal erspart geblieben war, sie spielte die Hauptrolle. Und es ging gut. Denn die Pastellfarben, die ostige Musik, die Detailverliebtheit und die witzigen Dialoge bremsten die Rundfahrt durch die Klischee-Moulinette ab. Und der Archivar philosophiert am Hängeregister: „Es ist Mode geworden, nach verschwundenen Akten zu fragen.“

Düsseldorf oder Hamburg sind von einer anderen Welt, hier ist Sachsen im Herbst, durchlöchert von blendend weißen PC-Inseln, Halogenlampen schlagen Schneisen in die „Karo“-Rauchschwaden. Und die Polizei kommt meist sehr spät — wie im richtigen Leben. Abseits der Kammerspielchen im gemischtdeutschen Bullentrio und der unvermeidlichen Geschichte um den Kneipenausbau des Kommissar-Sohns gingen nur zwei Dinge daneben. Der Druck der neu-alten herrschenden Politklasse auf die Polizei, er wurde nur wortreich angekündigt, aber nicht deutlich. Und die Super-Journalistin kam viel zu gut weg.

Nett dagegen die Anlehnungsbedürftigkeit des geschaßten Staatsanwalts, den Kommissar Ehrlicher bei seinen Ermittlungen besuchte. Gebeutelt vom Vorruhestand bat der frühere Ankläger: „Übernachtest du bei mir?“ Weiter so! Hans-H. Kotte