Kriegspropaganda läuft auf Hochtouren

■ Das Regime in Belgrad zieht sich hinter „begrenzten Einfluß“ auf das Kriegsgeschehen zurück

Als erstes werden im Belgrader Rundfunk immer die „Erfolgsmeldungen“ aus der umkämpften bosnischen Hauptstadt Sarajevo gebracht: „Serbische Kämpfer schlagen moslemische und kroatische Faschisten mit aller Härte“, „Moslemische und kroatische Faschisten haben keine Chance gegen serbische Kampfverbände“.

So und ähnlich ist auch der Tenor in der Tagespresse, wenn es um den Kriegschauplatz Bosnien geht. Erst an zweiter Stelle folgen die zahlreichen Appelle des serbischen Präsidenten Milosevic und des Generalstabes, die Kampfhandlungen „sofort und bedingungslos“ einzustellen und auf die Vereinten Nationen zu hören, die nun zumindest den Flughafen von Sarajevo in eine neutrale und entmilitarisierte Zone umwandeln wollten.

„Wenn Serbien mit dem Krieg in Bosnien doch nichts zu tun hat...“

In einem Atemzug damit wird dann gemeldet, daß internationale Presseagenturen die „Friedensbemühungen“ Belgrads zu würdigen wüßten, man in den westlichen Hauptstädten aber bedauere, daß sich die Kämpfe in Bosnien „verselbständigt“ hätten und Belgrad nur begrenzten Einfluß ausüben könne. Vor allem den letzten Passus schlachtet die Presse gerne aus, wenn sie demagogisch fragt: „Ist es also gerechtfertigt, Serbien weiterhin mit UNO-Sanktionen zu belegen, wenn es mit dem Krieg in Bosnien nichts zu tun hat?“ Das schreibt nicht nur das regimetreue Blatt 'Politika‘. So denken auch viele Belgrader.

Die Mühe, in Richtung Flughafen hinauszufahren, macht sich dagegen anscheinend niemand. Denn schon in den Randbezirken der Trabantenstadt Zemun kann man sie regelmäßig aufsteigen und landen sehen, die Militärflugzeuge. Ihr Einsatzgebiet ist klar. Per Luftlinie ist Sarajevo gerade hundert Kilometer entfernt. Ein anderes Anzeichen, daß auf dem Belgrader Flughafen reges Treiben herrscht, sind die Straßenkontrollen bei der Abfahrt von der Stadtautobahn: Hier geht es nicht weiter. Begründung: Der Flughafen sei geschlossen.

Aber darüber schreibt auch die angeblich „freie“ Oppositionspresse nichts. Zwar gibt es offiziell keine Pressezensur, aber genügend Einschränkungen, daß unliebsame Informationen keine Verbreitung finden können. Im „Amtsblatt der Republik Serbien“ kann man zum Beispiel nachlesen, daß der Vertrieb der slowenischen Tageszeitung 'Dnevnik‘ vom 1. Juni untersagt sei. Der Grund: Darin ist ein Stenogramm eines Gesprächs des Oberkommandierenden der serbischen Streitkräfte für Bosnien, Ratko Mladic, mit Offizieren abgedruckt, in dem der General erklärt, man solle bei der Bombardierung Sarajevos „kein Objekt verschonen“.

Werden diese Informationen gezielt unterbunden, machen sich ihrerseits die Kriegspropagandisten Serbiens daran, „Weltverschwörungstheorien“ zu entwickeln. So etwa ein angeblicher „Geheimdienstexperte“, Dragoslav Kostric, in der populären Politsendung „Weitere Argumente“. Ihmzufolge jährte sich am Montag zum zehnten Mal das „schicksalhafte Treffen“ zwischen US-Präsident Ronald Reagan und Papst Paul II im Vatikan.

Damals hätten beide die Abmachung getroffen, „das osteuropäische kommunistische Imperium zu zerstören“. Über die illegale Solidarność-Bewegung in Polen sollte schrittweise der „Kommunismus besiegt“ werden. In allen osteuropäischen Staaten sollten „antikommunistische Zirkel“ aufgebaut werden, um die „Regime von innen heraus zu unterhöhlen“. Wie sich gezeigt habe, sei das tatsächlich gelungen, nur in Jugoslawien habe diese Methode keinen Erfolg gehabt. Solche „Zirkel“ hätten sich dank der Wachsamkeit der jugoslawischen Behörden nicht etablieren können.

Sondersendungen für die Freischärler in den „befreiten Gebieten“

Um diese Niederlage zu kaschieren, unterstütze nun der Westen das „katholische Kroatien“ bei dem Ziel, Jugoslawien zu zerstören. Um Serbien zu besiegen, sei dafür jedes Mittel recht, unterstütze man die kroatisch- muslimische Koalition in Bosnien, die am serbischen Volk Bosniens einen „Genozid“ plane. Eine Propaganda, der möglicherweise in Belgrad nicht jeder mehr Glauben schenkt, aber bei den serbischen Freischärlern in Bosnien sehr gut ankommt. Denn dort ist die einzige Informationsquelle der Belgrader Rundfunk und das serbische Fernsehen, das über Sondersendeanlagen in die „befreiten Gebiete“ rund um die Uhr ausgestrahlt wird. Roland Hofwiler, Belgrad