Glück für Völler: Das Lama ist krank

■ Der Trainer von Titelverteidiger Holland, Rinus Michels, bangt um den Einsatz von Frank Reijkaard/ Im deutschen Team fiebert das Ost-Trio Sammer, Doll und Thom dem Einsatz entgegen

Göteborg (dpa/taz) — Geheime Kommandosache um den verletzten Milan-Star Frank Rijkaard (30) von Titelverteidiger Niederlande: Hinter verschlossenen Türen ließ Teamchef Rinus Michels (64) am Mittwoch in Varberg trainieren. Sein Hauptaugenmerk galt dabei Sorgenkind Rijkaard. Der Allroundspieler mit der feuchten Aussprache wird mit großer Sicherheit für das EM-Auftaktspiel der Oranjes am Freitag gegen Schottland ausfallen.

Die Verletzung des 52maligen Nationalspielers im Bauchmuskel- und Leistenbereich ist schwerwiegender als angenommen. Rijkaard konnte bisher in Schweden nur leicht allein für sich trainieren und klagte über große Schmerzen. „Chronische Überbelastung“ wird von den niederländischen Medizinern als Ursache für die hartnäckigen Beschwerden angesehen. Mannschaftskapitän Ruud Gullit (29) ist dagegen wieder fit. Rijkaards Milan-Gefährte hat eine über drei Wochen alte Schienbein-Verletzung überwunden und absolvierte bereits am Dienstag abend das volle Trainingspensum. „Ich werde gegen die Schotten spielen“, meinte Gullit am Mittwoch gewohnt gutgelaunt.

Sorgen bereitet Michels noch Jan Wouters (Bayern München), der seine Knöchelverletzung aus dem Frankreich-Spiel vom Freitag noch nicht überwunden hat. Der hartgesottene Wouters ist jedoch ebenso auf dem Wege der Genesung wie Ersatzspieler Frank de Boer (Ajax Amsterdam), der eine Leistenverletzung beinahe auskuriert hat. Reservist Peter Bosz (Feyenoord Rotterdam) erhielt dagegen wegen seiner Muskelzerrung im Oberschenkel eine Trainingspause verordnet.

In der deutschen Mannschaft hingegen macht sich indes unter den drei ostdeutschen Spielern Erregung breit. Als DDR-Auswahlspieler konnten Thomas Doll, Matthias Sammer und Andreas Thom von einem Turnier der Top-Teams nur träumen. Bis auf den WM-Auftritt 1974, bei dem die DDR-Elf mit dem genialen 1:0-Sieg über den späteren Weltmeister Deutschland den spektakulärsten Erfolg in ihrer Länderspielgeschichte feierte, blieb der Mannschaft aus Dresden, Leipzig und Berlin der internationale Glanz versagt.

Der Neu-Römer Doll erinnert sich an die letzte EM: „Da war ich im Urlaub an der Ostsee.“ Mittlerweile hat der 29fache DDR-Auswahlspieler neun Länderspiele für den DFB bestritten. Heute muß er als Paradebeispiel für den nur mühsam greifenden Aufschwung Ost herhalten: vom Provinzkicker im mecklenburgischen Malchin zum Millionär im italienischen Fußball-Geschäft. Von den etablierten Teamkollegen wie Rudi Völler, Guido Buchwald und Andreas Brehme wird der Dribbelkünstler akzeptiert und geschätzt.

Im besonderen Maße verkörpert der Ex-Stuttgarter Matthias Sammer die deutsche Fußball-Fusion. Beim Abgesang der DDR-Auswahl im Sommer 1990 gegen Belgien war er der einzige aus der ersten Garnitur, der das blau-weiße Trikot noch einmal überstreifte. Die anderen Stammspieler sagten zum Teil aus recht fadenscheinigen Gründen ab. Mit zwei Toren sorgte Sammer beim 2:0-Auswärtssieg der Verlegenheits-Elf für eine feierliche Beerdigung des DDR-Fußballs.

Vier Monate später wurde der streitbare Mittelfeldspieler zum Geburtshelfer der gesamtdeutschen Nationalmannschaft. In der Partie gegen die Schweiz (4:0) stand der 24jährige als erster ostdeutscher Kicker in der DFB-Auswahl. Die Bundesliga und die Spiele der Nationalmannschaft hatten auf den Dresdner Oberligaspieler immer schon einen großen Reiz ausgeübt. „Mit Westfernsehen war bei uns im Tal der Ahnungslosen nichts drin. Da haben mein Vater und ich vorm Radio gesessen und die Spiele verfolgt.“ Mittlerweile wechselt Sammer junior als Deutscher Meister zu Inter Mailand, Sammer senior wurde vor zehn Tagen Bundesliga-Trainer von Dynamo Dresden.

Auch Andreas Thom ist in die Annalen des deutschen Fußballs eingegangen. Der 51fache DDR-Auswahlspieler war acht Wochen nach dem Mauerfall der erste Ostdeutsche, der in die Bundesliga wechselte. „Zu Anfang gab es schon einige Probleme. Die Jungs waren ein bißchen gehemmt. Aber jetzt sind wir eine Truppe“, bestätigt Völler. „Die Mannschaft in Ost und West zu teilen, wäre Schwachsinn.“