Stadtpolitik mal anders

■ UNCED verleiht zwölf Städten Preis für Umweltpolitik

Rio de Janeiro (taz) — Mehr als die Hälfte der Menschheit wird nach der Jahrtausendwende in Städten leben. Städte sind heute der Ausgangspunkt des größten Teils der immensen Umweltverschmutzung weltweit — und doch gibt es inzwischen eine Reihe von Kommunen, die in einzelnen Bereichen umweltpolitisch voranmarschieren. Freiburg, Erlangen und Münster fördern einen ökologischeren Verkehr. Bremen und Saarbrücken, um nur zwei prominente Beispiele zu nennen, arbeiten an einer umweltfreundlicheren Energieversorgung. Die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) hatte in Vorbereitung auf den Rio-Gipfel einen Wettbewerb für Beispiele ökologischerer Stadtpolitik ausgeschrieben. Über 200 Städte bewarben sich, die taz stellt einige Preisträger vor:

Mexiko City: Die Stadt gilt als 10-Millionen-Moloch, in dem Kleinkinder wegen der permanent giftigen Luft in die Ferien geschickt werden und Sauerstofftankstellen demnächst das Überleben in den Straßen ermöglichen. Nachdem die mexikanische Regierung die Kontrolle der Umweltgesetze 1989 dezentralisiert hatte, startete die Stadtverwaltung ein Luftreinhalteprogramm mit einem Budget von 7,5 Milliarden Mark. Dazu gehören die Förderung von bleifreiem Benzin, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Umrüstung der Stadtbusse und der gesamten Taxiflotte von 55.000 Autos auf Kat. Jedes Auto darf in Mexiko City an einem Tag in der Woche nicht fahren, 62 besonders giftige Fabriken sind ganz und über 1.800 Fabriken nach Verstößen kurzzeitig geschlossen worden.

Kitakyushu, Japan: Als Industriestandort nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut, hatten die Fabriken und Siedlungen an der Dokai Bay Ende der sechziger Jahre einen ökologischen Tiefpunkt erreicht. Dokai Bay kannte keine lebenden Fische mehr, Arsen- und Cadmiumvergiftungen waren an der Tagesordnung, die Astmaraten erreichten Höchstwerte. 1971 schlossen sich die Siedlungen zur Stadt Kitakyushu zusammen und begannen die Stadtväter, insgesamt 174 Verträge mit Privatunternehmen zur Reduzierung der Umweltverschmutzung abzuschließen. Die zeitweise strengsten Umweltvorschriften Japans wirkten. Die Staubbelastung durch die Industrie hatte sich Ende der achtziger Jahre um 90 Prozent vermindert, und in der Dokai Bay finden sich inzwischen wieder 115 Arten von Fischen und Muscheln.

Sudbury, Kanada: Sudbury war um die Jahrhundertwende die Stadt der Holzfäller und zwei der größten Nickelminen auf dem Globus. Die 150.000-Einwohner- Stadt degenerierte zur Mondlandschaft. Erst Anfang der siebziger Jahre entschloß sich die Stadt angesichts des anhaltenden Abflusses von Unternehmen und der steigenden Arbeitslosigkeit zur Renaturierung von zig Quadratkilometern Industriebrache. Das vergleichsweise billige Programm mit der notwendigen Begleitforschung hat zeitweise 3.000 Menschen beschäftigt. ten