Vergewaltigung? 5.000 Mark bitte

Getrennt lebende Ehefrau vergewaltigt: Gericht verurteilt Täter zu einem Jahr Haft auf Bewährung und 5.000 Mark Geldstrafe/ Kritiker mahnen Gesetz gegen Vergewaltigung in der Ehe an  ■ Aus München Henrike Thomsen

Das Blatt für den Münchener Spießer, die 'tz‘, zierte am Mittwoch die Schlagzeile: „Die Ehe ist kein sexueller Selbstbedienungsladen.“ „Münchener vergewaltigte seine Frau: Verurteilt“ stand in der Unterzeile zu lesen. Tatsächlich hatte am Dienstag das Amtsgericht München den 34jährigen Uwe W. verurteilt, seine getrennt lebende Frau Corinna (27) vergewaltigt zu haben. Da Vergewaltigung in der Ehe noch immer kein Strafbestand ist, lautete die Anklage auf Nötigung und Körperverletzung. Der Titel der 'tz‘ ist ein Zitat aus der Urteilsbegründung.

Die Staatsanwaltschaft hatte 17 Monate auf Bewährung gefordert. Das Gericht aber hielt dem reumütig und zerknirscht auftretenden Vergewaltiger zugute, daß er geständig und in jener Februarnacht betrunken gewesen sei. Uwe W. erhielt ein Jahr auf Bewährung und muß 5.000 Mark an „die Beschädigte“ zahlen.

„Das Urteil ist eine Ohrfeige für jede Frau“, befinden die Vorsitzende der bayerischen Grünen, Margarethe Bause, und Christine Ney vom Frauennotruf München. „Es ist die Fortschreibung der alten Überzeugung, in der Ehe sei der Geschlechtsverkehr männlich verbrieftes Recht. Wenn er es sich gewaltsam holt, gilt es höchstens als Kavaliersdelikt“, sagt Bause. Tatsächlich hatte sich der Verurteilte gerechtfertigt: „Ich habe mir nur mein eheliches Recht genommen.“ Beleidigend, so Bause, sei nicht nur das Strafmaß, nachdem sich fortan jeder Mann ausrechnen kann, ob er sich eine Vergewaltigung leisten möchte oder nicht. Beleidigend sei auch der Umstand, daß Alkoholeinfluß als strafmildernd angesehen wird. Beide Frauen fordern, die Gesetzentwürfe von Grünen und SPD zur „Vergewaltigung in der Ehe“ endlich durchzusetzen. Diese werten die Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand und stellen ihn mit der „außerehelichen“ Vergewaltigung gleich. Die Mindeststrafe hierfür ist zwei Jahre. Die Diskussion dieser Vorlagen im Bundestag soll aber erst im Herbst stattfinden.

„Das Urteil geht vollkommen an den Bedürfnissen der Frau vorbei“, so Ney weiter. „Ihre Ängste werden in keiner Weise berücksichtigt.“ Corinna und Uwe W. waren beide ohne Anwalt vor Gericht erschienen. Bei der Verhandlung erzählte die 27jährige Frau, der Vergewaltiger habe sich anschließend einen Kaffee kochen lassen. Erst dann habe sie die Polizei angerufen. An den Frauennotruf oder eine andere Hilfsorganisation für Frauen wandte sie sich auch in den Monaten nach ihrer Vergewaltigung nicht. „Es ist ein großer Fortschritt, daß sich diese Frau überhaupt gewehrt hat“, meint Bause. Ney weiß jedoch aus Erfahrung, daß die meisten Ehefrauen nicht einmal, sondern regelmäßig von ihren gewalttätigen Ehemännern vergewaltigt werden. „Der Mythos der Ehe als geschützter Raum muß endlich aufgehoben werden“, forderte sie. „Die bestehenden Regelungen sind eine Abwertung der Frau.“