KOMMENTAR
: Die Dollars drohen

■ Ein Aufweichen der US-Blockade könnte sich für Castro als Sieg mit Todesfolge erweisen

Die Dollars drohen Ein Aufweichen der US-Blockade könnte sich für Castro als Sieg mit Todesfolge erweisen

Nachdem das einstige Zauberwort „Sozialismus“ in der kubanischen Propaganda nicht mehr für eine leuchtende Zukunft, sondern nur noch für eine harte, aber vergleichsweise egalitäre Kriegswirtschaft unter katastrophalen äußeren Bedingungen steht, muß für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ein anderes herhalten: „Empresas Mixtas“, Joint-ventures mit kapitalistischen Auslandsunternehmen. Erfolgsberichte von den Baustellen für Drei-Sterne-Hotels haben in den Fernsehnachrichten längst die Triumphe der alljährlichen Ernteschlacht auf den Zuckerrohrfeldern verdrängt. Ideologische Bauchschmerzen wurden vom Parteikongreß im vergangenen Jahr mit einem kühnen Lenin-Zitat beiseite gewischt. Ganz im Gegenteil: jeder Besuch spanischer Unternehmer, jedes Abkommen mit italienischen Firmen über die Modernisierung des Telefonnetzes, jeder Vertrag mit Kanadiern über Kosmetikproduktion für die Intershops wird zu einem antiimperialistischen Sieg über die Blockade der USA hochstilisiert.

Wenn Fidel Castro nun in Havanna Unternehmer aus den USA empfängt, dann ist dies ein Ereignis mit Signalwirkung. Denn während aus dem Weißen Haus bislang nichts auf einen vernünftigeren Umgang mit der kommunistischen Bedrohung in der Karibik, die schon lange keine mehr ist, hindeutet, sind die Unternehmer pragmatischer; für sie mag Castros Kuba zwar eine Diktatur sein, aber halt eine Diktatur wie andere auch — und das ist wahrlich kein Grund, sich profitables Busineß durch die Finger gehenzulassen. Jetzt, wo die internationalen Positionskämpfe für die „Zeit nach Castro“ beginnen, wird die Washingtoner Blockade für die US-Unternehmen zu einer immer lästigeren Fessel. Und daß nach einer kapitalistischen Wende Kubas die bisherigen Joint-ventures wg. Kollaboration mit Castro enteignet werden, wie es Washingtons „Mann für Kuba“ in Miami, Mas Canosa, androht, daran glaubt im Ernst niemand.

Doch auch wenn Kubas „Máximo Líder“ das Treffen mit den US-Unternehmern als Erfolg feiert, bleibt fraglich, ob eine Aufweichung der US- Blockade tatsächlich „Castro in die Hände spielen“ würde, wie die Bush-Regierung warnt. Denn nicht die US-Army oder schwerbewaffnet durch die Sümpfe von Florida tapernde Exil-Kubaner bedrohen derzeit den kubanischen Sozialismus — sie stabilisieren vielmehr Castros Herrschaft als scheinbar einzige Alternative zur völligen Unterwerfung unter die „Yankis“. Die größere Gefahr droht von den kleinen grünen Dollar-Scheinen, die bereits heute alle revolutionären Ideale unterwandert haben und die kubanische Gesellschaft in eine kleine, korrupte, allgewaltige Dollarsphäre auf der einen und eine bankrotte Peso-Welt der zusehends verarmenden Bevölkerungsmehrheit auf der anderen Seite zerfallen lassen. Dies ist der Sprengsatz für das kubanische System, gegen den sich der alte Guerillero Castro ratlos zeigt. Bert Hoffmann