Gepfl. mod. Ensemble, 1a, nur an Liebh.

■ Kauft Bremen noch ein gebrauchtes Orchester? / Kammerphilharmonie gebongt / Neueste Meldungen in punkto Musikpolitik

hierhin bitte die

Karikatur

(und bitte mit Rahmen!)

I. ENSEMBLE RECHERCHE

Schon wieder dürfen notleidende Musikanten hoffen, in Bremen besseres als den Tod zu finden. Es handelt sich diesmal um das „ensemble recherche“, neun sakrisch fixe SpezialistInnen für Neueste Musik, noch beheimatet in Freiburg. Dort hat man sie mit nur 10.000 Mark bezuschußt; den Rest verdienten sich die Musiker mit Orchesterengagements. Jetzt droht allerdings das Ensemble gerade an seinem Erfolg einzugehen: Bei 50 Konzerten und 20 Rundfunkproduktionen im Jahr ist keinerlei Nebentätigkeit mehr möglich; ganz allein von seinen Einnahmen aber kann das Ensemble nicht leben. Es wird im Herbst '93 seine Arbeit einstellen, heißt es, wenn bis dahin kein Retter erschienen ist.

In dieser Stunde der Not eilte

Gerd Schwandner, Kulturstaatsrat allhier, nach Süden. Erste Verhandlungen laufen; das Ensemble will nach Bremen übersiedeln, wenn es hier 400.000 Mark im Jahr bekäme. Die Kulturbehörde, die ja schon die Frankfurter Kammerphilharmonie adoptieren will, hat das Geld nicht, denkt aber an eine Anschubfinanzierung mittels Sponsoren.

Das Ensemble, welches in Freiburg als eines, wenn auch das angesehenste, unter vier vergleichbaren um seine Existenz kämpft, könnte in Bremen exakt die kleine Lücke füllen, die die neue Kammerphilharmonie noch läßt: Die Recherche-Leute machen jede Menge Uraufführungen heutiger Komponisten; zum Großteil werden diese Werke geradezu für das Ensemble geschrieben. „Damit kämen wir

dem geplanten Schwerpunkt Neue Musik ziemlich nah“, sagt Schwandner, „musikpolitisch macht das sehr viel Sinn“.

II. KAMMERPHILHARMONIE

Die Deutsche Kammerphilharmonie, beheimatet noch in Frankfurt, hat sich auf ihrer Gesellschafterversammlung am Mittwoch einstimmig für einen Umzug nach Bremen ausgesprochen. „Im Raum Fischerhude/Ottersberg steigt derzeit die Philharmonikerdichte enorm“, erzählte Geschäftsführer Hannes Nimpuno, „und zwei Familien haben sich in Bremen schon Häuser gekauft.“

Am Dienstag wird der Senat über die Finanzierung der neuen Philharmonie entscheiden. Nach einer Vorlage der Kulturbehörde werden sich in den nächsten fünf Jahren die Kosten von insgesamt 1,75 Millionen Mark pro Jahr folgendermaßen verteilen:

300.000 zahlt ab 92 das Kulturressort; sein Anteil steigt jedes Jahr um 100.000 Mark bis auf 700.000 Mark im Jahre 1996.

Das Wirtschaftsressort zahlt 500.000 Mark und dann jährlich um 100.000 Mark weniger.

Das Bildungsressort ist mit konstant 400.000 Mark dabei. Für die restlichen 450.000 Mark sollen angeblich schon Sponsoren bereitstehen.

Die Konstruktion ist auf den Pfennig genau ausgehandelt und offenbar noch störempfindlich: „Wenn da auch nur einer wackelt und hundertausend rauszieht, kracht das zusammen“, sagt Gerd Schwandner.

III. MUSIKHOCHSCHULE

Jedenfalls rührt sich was in punkto Musik, nur nicht zur Gaudi von allen: Geradezu von „Erpressung“ sprach gestern der Vorstand des Orchesters der Musikhochschule. Die Bildungsbehörde wolle vier längst versprochene Professorenstellen erst besetzen, wenn die Musikhochschule dafür ohne Widerrede geschweige Ausschreibung das gesamte Lehrpersonal der „Akademie für alte Musik“ auf zwölf halbe Professorenstellen übernimmt. Das habe die zuständige Referentin Dingeldein in einem Gespräch mit Stefan Kölsch, Anne Troike und Gunnar Cohrs vom Vorstand bestätigt.

Heide Dingeldein bestreitet dagegen auf Anfrage eine „Wenn-Dann-Regelung“ und spricht lieber von einem „gemeinsamen Schritt“. Also doch ein Junktim? „Das würde ich nicht so nennen.“

Tatsächlich hätte, wie die Spatzen schon lange zwitschern, die Musikhochschule nicht den Schatten einer neuen Stelle gekriegt, wenn sie sich weiterhin gespreizt hätte: Die Integration der angesehenen Akadamie ist der erste Schritt zu einer neuen Hochschule, an der speziell die sog. Alte Musik und die vielfach verschwisterte Neue Musik (s.o.) gelehrt werden sollen.

Die Studenten allerdings fürchten jetzt vor allem um ihre „Grundversorgung“ als ganz normale Orchestermusiker. „Selbst die dringend benötigte Dirigierprofessur wird erst ausgeschrieben, wenn die Akademie geschluckt ist“, klagt der Orchestervorstand. So gut wie alle weiteren Stellen, die noch geschaffen werden sollen, könnten aber auch für unsre neuen Musikanten (s.o.) interessant werden. Ob sich also die gute alte Musikhochschule demnächst noch wiedererkennt, ist durchaus nicht ausgemacht. Manfred Dworschak