KOMMENTAR
: Prost Planet!

■ Der Super-Gipfel von Rio als Selbstinszenierung der Katastrophen-Routiniers

Jedem Spektakel gebührt das Finale, das es verdient. Der größte Umweltgipfel aller Zeiten darf nicht zu Ende gehen, ohne daß Monarchen, Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Minister aus 112 Ländern zum Öko-Reigen um den Zuckerhut antanzen. Ein kleiner Abstecher nach Rio zwischen den Alltagsgeschäften macht sich gut fürs Image. Wer der drohenden Katastrophe kurz mal ins Auge geschaut und die Verantwortung der Weltgemeinschaft beschworen hat, darf sich zu den Weltpolitikern zählen. Er wird einen gestandenen „elder statesman“ abgeben.

Auf zahllosen Empfängen und Gesprächsrunden wurde über die Verbesserung der Welt philosophiert. Angesichts des Menetekels an der Wand, des ökologischen Gaus in allen denkbaren Varianten, haben die Politiker ein Maß an Empfindungslosigkeit an den Tag gelegt, das sich nur mit einem Begriff umschreiben läßt:Katastrophenroutine. Immobilismus verschwistert sich mit der Hoffnung auf schließliche Erleuchtung, auf ein Wunder, daß der Fortschritt, die Geschichte oder sonst wer zustande bringen sollen. Prost Planet, lebst du noch?

Währendessen feilschen die Gipfel-Diplomaten um ihre Souveränitäten und das liebe Bargeld. Der Tauschhandel „Umweltleistung“ der Entwicklungsländer gegen mehr Unterstützung aus den Industrienationen scheitert am Preis, den die Reichen nicht zahlen wollen. Und in den Industriestaaten selbst, die sowohl für die Umweltverschmutzung wie für die Ausbeutung der Ressourcen maßgeblich verantwortlich sind, sollen die Selbstheilungskräfte des Marktes die Misere lösen. Wie schön, so bleibt alles beim alten und wird dennoch neu.

Die Rio-Wundertüte, prachtvoll ausformuliertes Patchwork, gefüllt mit den Sonderwünschen aus allen Regionen der Erde, ist — wie anders? — der kleinste gemeinsame Nenner aller beteiligten Staaten. Blumengebinde, Absichtserklärungen, ein bißchen PR-Kitt auf das Ozonloch, die Klimakatastrophe und das Waldsterben. In einem wirren, unreflektierten Mix an Erklärungen wird die Bewahrung der Artenvielfalt gefordert, nach Wachstum gelechzt und ein halbherziger Klimaschutz postuliert. Widersprüche fallen nicht weiter ins Gewicht, bei all den vielen Ausklammerungen, bei der gemeinsamen Flucht ins Präzisionslose.

Wie unbeteiligt stehen die Regierungschefs der zunehmenden Unterentwicklung in der Dritten Welt gegenüber. Wie eh und je bleiben die Konzepte widersprüchlich, die optimistischen Prognosen fehlerhaft. Der Gipfelauftritt gibt nicht mehr her als ein einmaliges Gruppenbild für die Fotografen. Es wird eine Versammlung überliefern, die nur eine Überlebensstrategie kannte: Permantes Sich-Einrichten in der Krise. Erwin Single