Athen: Knast für Flugblattverteiler

■ Studenten protestierten gegen Makedonien-Politik

Athen (taz) — „Einfach zum Kotzen“ fand der Athener Minister für Nordgriechenland, Chatinikolau, die Aktion, der sozialistische Abgeordnete Papathemelis schimpfte sie „idiotisch“, und noch strammere griechische Patrioten sprachen von „Entartung“ und „Verrat an die titoistische Nomenklatura von Skojpe“.

Eine Welle nationaler Empörung schwappt über Griechenland. Sie wurde ausgelöst durch einen offenen Brief von 169 Prominenten. Die hatten Ende Mai gewagt, gegen die Einschränkung der Pressefreiheit zu protestieren. Zugleich unterzeichneten die Promis — von denen viele an griechischen Universitäten arbeiten — „aus Solidarität“ ein Flugblatt „gegen Krieg und Nationalismus“.

Die ursprünglich Verantwortlichen für das Flugblatt, vier StudentInnen der Athener Universität, waren zu dem Zeitpunkt bereits zu je 19 Monaten Haft verurteilt. Ihr Verbrechen: Sie hatten die antimakedonische Kampagne der griechischen Regierung kritisiert. Jeder habe das Recht, sich selbst seinen Namen auszusuchen, hieß es in den im April in Athen verteilten Flugblättern. Das gelte auch für die neue Republik an der nördlichen Grenze Griechenlands, die sich „Makedonien“ nennt. Das offizielle Athen betrachtet diesen Staatsnamen für die ehemals jugoslawische Teilrepublik als „feindlichen Akt“ und spricht statt dessen von der „Republik von Skopje“. Für die griechische Polizei waren die Flugblätter Grund genug einzuschreiten und die vier StudentInnen in Haft zu nehmen. Ende Mai wurden die vier nach einer kurzen Verhandlung wegen Unruhestiftung und Verbreitung falscher Nachrichten verurteilt.

Den 169 Intellektuellen, die gegen den „Anschlag auf die Meinungsfreiheit“ protestierten, rückte nicht der Staatsanwalt auf den Pelz. Statt dessen setzte eine öffentliche Diffamierungskampagne ein, die unter anderem im staatlichen Fernsehsender ET3 von Thessaloniki ausgetragen wurde. Die öffentlichen Beschimpfungen reichen von dem häufigen „Agent von Skopje“ bis hin zur Diffamierung eines Priesters als „schwul“. Takis Gallis