Große Mehrheit für neue Verfassung

■ Bei der Volksabstimmung über die neue Verfassung stimmten die Brandenburger zu mehr als 90 Prozent zu/ Schwere Schlappe für CDU-Westimport Ulf Fink/ Vertrauensbeweis für Manfred Stolpe

Potsdam (dpa/taz) — Beim ersten Volksentscheid in den neuen Bundesländern haben sich die Brandenburger am Sonntag mit großer Mehrheit eine neue Verfassung gegeben. Nach einer ersten Infas-Hochrechnung auf der Grundlage der Auszählung von 61 der 100 Stimmbezirke votierten bei dem Referendum 92,8 Prozent der Abstimmenden für die Annahme der neuen Verfassung. Das entsprechende Gesetz war bereits im April vom Potsdamer Landtag mit weit mehr als der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gegen die Stimmen von nur elf CDU-Abgeordneten verabschiedet worden. Gegen die Verfassung stimmten der Hochrechnung zufolge beim Referendum lediglich 7,2 Prozent. Die Beteiligung lag bei nur 48,5 Prozent.

Die oppositionelle CDU mußte damit eine herbe Niederlage gegen die Potsdamer „Ampelkoalition“ aus SPD, FDP und Bündnis 90 einstecken. Das Regierungsbündnis hatte sich in der Verfassungsfrage mit der PDS sowie mit einigen CDU- Parlamentariern unter der Führung ihres später zurückgetretenen Fraktionschefs Peter-Michael Diestel auf einen Kompromißentwurf geeinigt. Dagegen beschloß der CDU-Landesverband unter seinem neuen West-Vorsitzenden Ulf Fink bei einem Sonderparteitag im Mai, den Bürgern die Annahme der Verfassung „nicht zu empfehlen“, wodurch das Votum zu einer politischen Testwahl avanciert. Fast 80 Prozent der CDU-Anhänger in Brandenburg votierten jedoch gestern entgegen dem Appell der CDU für die Verfassung. Der zurückgetretene CDU-Fraktionschef Peter-Michael Diestel hatte im Fall einer Annahme durch die Bürger personelle Konsequenzen in der brandenburgischen CDU-Spitze gefordert. CDU-Landeschef Ulf Fink, der als West-Berliner nicht stimmberechtigt ist, müsse „weg“. Fink hält die Verfassung für grundgesetzwidrig.

Die Brandenburger hätten sich vor allem von dem Wunsch leiten lassen, dem Land eine eigene Verfassung zu geben, so die Infas-Wählerforscher. „Sie kennen nur Brandenburg und keine Parteien“, erläuterte ein Infas-Sprecher. Das Referendum galt bereits im Vorfeld als Testabstimmung für den Regierungskurs von SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe, der sich von einem klaren Votum Impulse für seine weitere politische Arbeit versprach. Stolpe sprach denn auch am Wahltag von einer „Reifeprüfung in Sachen Demokratie“. In der Verfassung sind die Rechte auf Arbeit, Wohnen und soziale Absicherung, aber auch Elemente direkter Beteiligungsmöglichkeiten verankert. Zum Entscheid über diese nach Sachsen zweite Verfassung eines neuen Bundeslandes waren fast zwei Millionen Bürger aufgerufen. Von ihnen gaben jedoch nur etwa jeder zweite ihr Votum ab.