„Endgültige Betonierung Deutschlands“

■ Straßenausbau vor allem im Westen/ Kabinett entscheidet Mitte Juli/ Öko-Institut kritisiert Krauses Pläne

Hamburg/Saarbrücken (afp/dpa) — Bundesverkehrsminister Günther Krause will das Autobahnnetz in Deutschland massiv erweitern. Das berichtet das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ in seiner heutigen Ausgabe unter Berufung auf ein Papier aus dem Bonner Verkehrsministerium. Insgesamt sei der Aus- und Neubau von 11.600 Kilometern Bundesfernstraßen geplant.

Nach den Angaben zum Bundesverkehrswegeplan 1992, der Mitte Juli im Kabinett verabschiedet werden soll, sollen hauptsächlich in Westdeutschland Straßen ausgebaut werden. Während auf dem Gebiet der alten Bundesländer 7.842 Kilometer neue Autobahnen und Bundesstraßen gebaut werden sollten, entfielen auf Ostdeutschland 3.741 Kilometer. Lediglich beim Neubau von Autobahnen sei auf dem Gebiet der ehemaligen DDR mit 929 Kilometern eine größere Strecke als im Westen vorgesehen, so das Blatt. Die Sprecherin des Ministeriums bestätigte gestern diese Angaben, wies aber darauf hin, daß nur 2.524 Kilometer neue Autobahnen in West- und Ostdeutschland geplant seien. Der Bedarfsplan für Bundesfernstraßen enthält laut 'Spiegel‘ längst totgesagte Autobahnprojekte wie die A4 durch das Rothaargebirge, die A60 durch die Eifel, die A98 am Hochrhein, die A20 mit einer Elbüberquerung bei Hamburg. Sie sind nach Angaben des Verkehrsministeriums aber nicht als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft.

Für „1.500 Kilometer hochbelastetes Autobahnnetz“ stellt das Ministerium einen „dringlichen Ausbaubedarf“ auf sechs bis acht Fahrstreifen fest. Mit einem Volumen von 250 Milliarden D-Mark bis zum Jahre 2010 handelt es sich dem 'Spiegel‘ zufolge um das größte Straßenbauprogramm der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Die Finanzierung des gigantischen Projektes dürfte jedoch Probleme bereiten. Im Zeitraum von 1995 bis 2005, heißt es in dem Papier des Verkehrsministeriums, entstehe eine „erhebliche Finanzierungslücke, zu deren Schließung privates Kapital herangezogen werden muß“.

Der Verkehrsexperte des Freiburger Öko-Instituts, Dieter Seifried, kritisierte Krauses Pläne. Dies könne „kein sinnvolles Projekt sein, weil jeder Straßenausbau praktisch zu einem Anwachsen des Verkehrsvolumens führt“. Heute gehe es darum, Verkehr effizienter zu machen und den Ausstoß von Schadstoffen zu reduzieren. Seifried forderte statt dessen, die „notwendigen Investitionen in den öffentlichen — vor allem kommunalen — Verkehr zu stecken, eine Sanierung statt Privatisierung der Bundesbahn“ und eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn. Der Experte zeigte sich überzeugt, daß sich die Bevölkerung gegen ein massives Straßenausbauprogramm vor Ort „mit großer Vehemenz zur Wehr setzen“ werde.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Freimut Duve wirft Krause („Ich fahre selbst viel zu gern Auto“) vor, Deutschland zum Riesenspielzeug seiner kindlichen Raserei zu machen. Der Verkehrsminister entpuppe sich mit seinem neuen Verkehrswegeplan 1992 als „willfähriger Lakai der Auto- und Straßen- und Raststättenlobby“. Während sich der Kanzler in Rio als Öko-Futurist feiern lasse, plane sein Verkehrs-Sunnyboy die „endgültige Betonierung Deutschlands“.