Mütter für das Leben

■ Talk im Turm zu §218, Sat.1, So., 22 Uhr

Gott schickt die Kinder“, glaubt Frau Brasen. Ihr hat er bisher 18 geschickt, und vier hatte sie gleich mit. Rita Süssmuth fand es „wunderschön, daß sie dabei sind“. Sie hätte das nölige Schreien, mit dem die weißgewandeten, fleischgewordenen Unschuldsengel für Hintergrundstimmung sorgten, sicher auch als „fröhlich“ bezeichnet. Fehlte nur noch, daß Erich Böhme ein Kleinkind auf dem Schoß wiegte. Sonntag nacht in Talk im Turm ging es nicht etwa um abgebaute Kindergartenplätze, angemessene Entlohnung für Erziehungsarbeit oder Pseudo- Krupp. Es ging um die Abtreibung. Sechs „Damen“ durften ausnahmsweise unter sich das Thema dreschen— vorausgesetzt sie hatten den Nachweis „Mutter“ erbracht. Der Moderator („Dürfen sich Männer da einmischen“?) mischte mit, so gut er bei offenkundig schlechter Vorbereitung eben konnte. Heraus kam, was kommen muß, wenn alles gesagt ist. Dafür sorgte allein die Zusammenstellung der Talk-Runde. Als Expertinnen für die „tragische Entscheidungssituation“ (Rita Süssmuth) ungewollt schwangerer Frauen figurierten die Bundestagspräsidentin, die Ärztin Gabriele Halder von Pro Familia und die Ärztin Ursula Hansen. Fristenlösung mit freiwilligem Beratungsangebot versus SPD-FDP-CDU-Kompromißvorschlag. Gemeinsamen Mißmut löste eine radikale Lebensschützerin aus — mit Embryo-Sticker an der Bluse. Katja Flossdorf erhielt viel Raum, für ihren Kreuzzug gegen die „vorgeburtliche Kindstötung“ und ein „Deutschland der Anarchie“. Was Rita Süssmuth zu einem ladylike indignierten Seufzer veranlaßte. Böhme entlarvte die Lebensschützerin als einzige Nicht-Mutter in der Runde. Als sozusagen doppelt „Betroffene“ durfte Roswitha Reinicke, einzige Frau aus dem Osten, auftreten. Auf Grundlage der DDR-Fristenregelung hat sie zwei Abtreibungen machen lassen, eine davon mit der umstrittenen Pille RU 486 — nach einer Vergewaltigung. Viel herauswringen konnte Erich Böhme aus der Talk-Show-unerfahrenen Frau allerdings nicht. Auf die Frage „Was war das für ein Gefüüühl?“ (mit der Pille abtreiben zu lassen) blieb sie zurückhaltend, und zum absehbaren gesamtdeutschen Abtreibungsgesetz sagte sie nur: „Das ist ein Rückschritt.“ Nur Gabriele Halder stand ihr da bei. Andere Stimmen in dieser Richtung waren gezielt nicht eingeladen worden. Dabei hatten Redakteurinnen entsprechende Vorgespräche geführt — etwa mit Mitarbeiterinnen des Berliner FFGZ (Feministisches Frauengesundheitszentrum). Aber deren differenzierte Positionen gegen den §218 auf der einen, aber auch gegen den unkritischen Jubel „liberaler“ Kreise für die Abtreibungspille auf der anderen Seite hätten Niveau und Rahmen dieser Runde wohl gesprengt. Ulrike Helwerth