„Und so nette Herren sind dabei!“

■ Heimliche Frauenbewegung feierte mit den „California dream boys“ in der übervollen Glocke

Mit Reizen hatten sie nicht gegeizt. Kamen in Stiefeln mit Herz und Lochausschnitt, im rosa Kreuseltop, ließen goldenes Beinfleisch durch Spitzendurchbrochene Jeans blitzen, Brustfleisch durch weiße Lochspitze, oder auch rosige Unterarme durch Puffärmel. Frauen in Bewegung, zwischen zwanzig und fünfzig, zu dritt und zu viert, angereist über die Autobahn, Frauen von Entschluß, dies würde ein netter Abend werden: Sechzig Mark fünzig Eintritt und der Sekt nochmal zehn dazu. Das schafft konkrete Erwartungen, brodelnden Dunst süßer Gerüche und karnevaleske Ausgelassenheit in der ehrwürdig ebenhölzernen Glocke. Und dazu diese verschmitzt-verschwörerische Heimlichkeit einer von- Frau-zu-Frau-Öffentlichkeit, ehe auch nur ein einziger der „California dream Men“ erschienen war. Falls ich mich undeutlich ausdrücke, es war eine Bombenstimmung.

Und die Herren der neusten, letzten, wildesten, hüllenlosesten Strip'n Muskelschau? Ja, gut, die waren auch da. Etwa fünfzehn

kräftige Jungs, mal mehr japanisch, mal mehr indianisch, aber alle sehr kalifornisch, alle uns namentlich vorgestellt. Das war aber schon gegen Ende, als wir längst unsere Favoriten ausgekuckt hatten und applausiv feierten, wie bei der Celler Hengstparade. Absolute Spitzenreiter, wenn das Bild erlaubt ist, der mit dem goldenen Haar und — körperlich — goldenen Schnitt und der Narziß mit der Rechtsanwaltsfrisur, dem das Vergnügen an der Darbietung seiner Rundungen aus allen Poren drang, was die Zuschauerinnen taktil erkunden durften.

Überhaupt, sie würden uns alles, was wir nur wollen würden, besorgen (wenn man provide for you so übersetzen darf), versprach Prinz Matschabelli uns, unserem tosenden, jubelnden, lachenden kreischenden Netter- Abend-Erwartungs-Ich. Der Moderator-Prinz, der singt, stript und so dunkelblütig ist, wie Namensvetter Prince, dem er die Dings-da-zentrierten Tast-und Leckschlüpfrigkeiten abgekuckt hat, versprach zu viel. Es tut mir leid, nun klingt es doch wieder so aseptisch, wo es doch ein sehr stimmungsvoller Abend der so heimlichen wie vitalen Frauenbewegung war. Die wollte in ihren radikalen Teilen richtig hinlangen und tat es, auf die Bühne geholt, auch. Die gemäßigten wollten zumindest richtig was sehen.

Was die Traumjungs auch von Anfang an als einzig wesentliche Dienstleistung ihrer Kunst begriffen. Sonst hätten sie mehr getanzt und mehr als einmal geflikflakt. Aber sie haben sich eben immerzu alles stückweis vom Leib gerissen, um auf ihre immer schwächer und dann schließlich gar nicht mehr bedeckte Blöße hinzuweisen. Nur, hier setzt doch die männliche Natur dem Strip schmerzliche Grenzen. Der ständig anvisierte Höhepunkt soll ja ein Höhe- und kein Hängepunkt sein. Weil der aber nicht showmäßig verfügbar ist, wurschtelten die Traumjungs die allerheiligste Entblößung meist auf dem Bühnenboden hin oder ersetzten sie durch allerlei Scherzartikel wie Flaschen oder durch die Schenkel gezogene Gürtel. Bei allem Respekt vor dem Gürtel, auch hier gelten die strengen Grundsätze der Kunst, wonach das gut Gemeinte der Feind des Gekonnten ist. Aber egal. „Die machen das ja wirklich nett“, drückte eine aus, was unter Gelächter und vergleichendem Sachverstand in vielen Pausengruppen erörtert wurde. „Und so nette Herren sind dabei“, bemerkte eine andere. „Bei denen kaufst Du ja nie die Katze im Sack“, überlegte eine, ihre kritische Freundin gab zu bedenken: „Ob die auch wirklich können, ist nicht raus.“ Uta Stolle