Im Bombenwagen durch den Wald

■ Berliner Kriminalpolizei kämpfte bei der Aufklärung eines Waffendeals mit vielen Hindernissen/ GUS-Streitkräfte »nicht an Aufklärung interessiert«/ Prozeß gegen drei mutmaßliche Waffenhändler vor dem Landgericht wird fortgesetzt

Moabit. Die Suche der Berliner Kriminalpolizei nach geheimen Waffendepots der GUS-Streitkräfte glich im vergangenen Frühjahr bisweilen einem Spießrutenlauf. Das berichtete gestern ein Kriminalbeamter im Prozeß gegen drei mutmaßliche Waffenhändler, die sich, wie berichtet, vor der 14. Strafkammer des Landgerichts wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Sprengstoffgesetz verantworten müssen. Die drei Angeklagten sollen versucht haben, 507 Splitterhandgranaten einschließlich gesondert verpackter Zünder sowie mindestens 148 mit Sprengstoff gefüllte Panzerhandgranaten ohne Zünder und drei Kisten mit Infanteriemunition aus Beständen der bei Jüterbog stationierten GUS-Streitkräfte an einen Schweizer Geschäftsmann zu verkaufen. Der Deal war im vergangenen Februar im Bezirk Mitte bei der Übergabe aufgeflogen, weil der Schweizer Geschäftsmann ein verkappter Kriminalbeamter war.

Der Hauptangeklagte Peter Sch. hatte die Kripobeamten nach seiner Verhaftung zu einem GUS-Truppenübungsplatz bei Jüterbog geführt, wo er weitere Munitionsdepots vermutete. »Das erste Lager, zu dem wir kamen, war bereits ausgeräumt«, berichtete der Kriminalbeamte K. gestern als Zeuge. »Dort lagen nur noch 100 bis 200 verrostete Patronen herum«. Also versuchte man es bei dem zweiten Peter Sch. bekannten Lager — und siehe da, dort ragten mehrere Übungs-Panzerabwehrraketen aus der Erde. »Unsere Potsdamer Kollegen«, so der Beamte K. gestern, »buddelten ein bißchen herum und stießen auf eine Tellermine mit Antenne.« Leider habe man die Suche einstellen müssen, weil plötzlich »die Sowjets erschienen und uns fragten, was wir hier machen«. Nach einigem Hin und Her habe man sich schließlich darauf verständigt, daß »die Sowjets das Depot in die Luft sprengen«.

Etliche Wochen später, mittlerweile war es März, fuhren die Berliner Beamten erneut mit Peter Sch. nach Jüterbog. Diesmal wollte man ein »Sprengstoffdepot« abseits des GUS-Übungsplatzes im Wald suchen. Zur Unterstützung kamen mehrere Kollegen des Staatsschutzes in einem »Bombenwagen« mit. Nachdem die Beamten eineinhalb Stunden durchs Gelände gefahren waren, merkten sie, daß sie von einem Lastwagen der GUS-Streitkräfte verfolgt wurden. »Glücklicherweise hatten wir unsere Dienstausweise dabei«, erzählte K. mit dem Hinweis, daß es auf dem Ausweis für die Alliierten einen extra Vermerk in englischer, französischer und russischer Sprache gibt. Die Offiziere behelligten die Beamten an diesem Tag nicht weiter, aber das Sprengstoffdepot fand man auch nicht. »Ich konnte mich nicht des Eindrucks erwehren, daß die Sowjets kein Interesse an der Aufklärung hatten«, lautete K.s Fazit gestern. Seine Vermutung ist, daß die Depots von Offizieren und Soldaten angelegt wurden, die durch den Verkauf der Waffen ein bißchen Geld verdienen wollten. Das Fatale daran sei, daß »jedermann dorthin fahren und sich die Sachen beschaffen kann«.

Der Waffenexperte der Polizei, Martin Folk, stellte in seinem Gutachten vor Gericht fest, daß die 507 beschlagnahmten Splitterhandgranaten in einem »einwandfreien, funktionsfähigen Zustand« seien — mit einer maximalen Reichweite von 200 Metern könnten sie innerhalb eines Radius von 40 bis 50 Metern zu tödlichen Verletzungen führen. Auch die Panzerhandgranaten, bei denen die Zünder fehlen, könnten mit wenigen Handgriffen durch eine einfache Manipulation scharf gemacht werden. Sie könnten bis zu 30 Zentimeter dicken Stahl und Betonwände durchschlagen. Nach Angaben von Folk wurden seit der Wende schon über 1.500 Handgranaten beschlagnahmt. 507 Stück auf einen Schlag sei jedoch einmalig. plu

Das Urteil wird am Dienstag erwartet.