»Abmachungen werden eingehalten«

■ Thomas Langhoff blickt auf seine erste Spielzeit als Intendant des Deutschen Theaters und stellt seine Pläne für 1993 vor

Der Spielort ist sinnig gewählt. Zwischen alten Brettern und Stangen, umringt von verlassenen Requisiten und einem Gewirr aus Scheinwerfern residiert Thomas Langhoff auf der Probebühne des Deutschen Theaters. Die berühmte Brecht-Kanzel steht etwas ramponiert zwischen den Altlasten des Theaterbetriebes. Auch sie scheint interessiert zuzuhören.

Hier soll demnächst nicht mehr Theater geprobt, sondern Theater gespielt werden. So jedenfalls war es geplant. Deshalb hat das Deutsche Theater zu der Jahrespressekonferenz nicht in die heiligen — und gut sanierten Hallen des ehrwürdigen Haupthauses geladen, sondern in diese abgehalfterte Rumpelkammer. Der Ausbau der »heruntergekommenen« Probebühne zu einer weiteren Spielstätte war Thomas Langhoff bei seinem Amtsantritt — wie vieles andere — von Senatsseite zugesichert worden. Aber nun ist dem Senat das Geld nicht nur für die notwendigen Bauarbeiten ausgegangen. Und so ist nun alles wieder offen, oder besser gesagt: nichts mehr möglich.

Ihn persönlich störe das verkommene Ambiente diese Raumes ja nicht, meint der Impressario mit theatralem Enthusiasmus, er könne unter allen Bedingungen Theater spielen — auch unter diesen. 80 Prozent West für das Ensemble und Gäste, 60 Prozent für Technik und Verwaltung. Das sind die finanziellen Bedingungen, unter denen Intendant Thomas Langhoff am Deutschen Theater seit einem Jahr Theater macht. In einer Absichtserklärung des Senats, die seinerzeit die Grundlage für Langhoffs Vertrag war, hatte der Senat zugesichert, auf die für das vergangene Jahr bewilligten 21 Millionen Mark jedes Jahr etwas draufzusatteln, um 1994 eine finanzielle Gleichstellung mit Westtheatern zu ermöglichen.

Nichts davon ist bisher eingetreten, die Subventionen aber reichen so hinten und vorne nicht — vielleicht ist sogar schon im September Ebbe in der Theaterkasse. Vorgestern endlich hatte der Regierende Bürgermeister ein Einsehen: »Abmachungen werden eingehalten«, schallte es kurz und sybillinisch aus dem Roten Rathaus, und Optimist Langhoff interpretiert dieses »regierende Wort« nun als die lang ersehnte Wende. Konkrete Zahlen gibt es freilich nicht.

Die liegen dem Intendanten sowieso nicht sonderlich. Als es um die durchschnittliche Auslastung des Hauses geht, blickt er ratlos zu seiner Stellvertreterin Rosemarie Schauer, die nicht ohne Stolz verkündet, daß im Großen Haus 70 Prozent Auslastung keinen Anlaß zu Klagen gebe. Die Kammerspiele hinken da mit 50 Prozent etwas hinterher — ein altes Problem des Deutschen Theaters. Schon sein Vater habe, wenn wieder einmal gähnende Leere in den Kammerspielen war, zum Ausgleich schnell Mein Freund Harvey einstudieren müssen.

Auch in diesen Tagen kommt niemand drumrum, Publikumsrenner in den Spielplan einzubauen. Und so wird in der kommenden Spielzeit der Regisseur Thomas Langhoff dem Intendanten Thomas Langhoff die Kammerspiele mit Hauptmanns Biberpelz wohl füllen.

Seine in Wien erfolgreiche Inszenierung Der Turm von Hofmannsthal ist ab dem 28. September in einer Berliner Fassung im Haupthaus zu sehen, und da das Schiller Theater den versprochenen Onkel Wanja bereits für sich gebunkert hatte, gibt es am Deutschen jetzt Ostrowskis Der Wald. Friedo Solter befaßt sich mit dem Kyklop von Euripides, und Rolf Winkelgrund wird Eugene O'Neills Der Eismann kommt inzenieren, womit die beabsichtigte »intensive Beschäftigungspflege« mit dem Autor fortgeführt werde. Am Ende der kommenden Spielzeit — »Wer weiß, ob wir da alle noch am Leben sind...« — macht Jürgen Gosch dann noch Kleist. Amphitryon oder den Prinzen Friedrich von Homburg. Das wird sich finden, wenn es nur genug Geld gibt...

Interessantes aus den Kammerspielen verspricht die Uraufführung (Regie: Tatjana Rese) von Marlene Streeruwitz Elysian Park, einer gar nicht mehr so jungen jungen Autorin, die zur Zeit vom Theaterbetrieb entdeckt wird, und von der Chefdramaturg Michael Eberth weiß, daß sie in Wien »immer im gleichen Café wie Thomas Bernhard gesessen hat«. Sewan Latchinian darf nach dem Publikumserfolg Disney-Killer die deutsche Erstaufführung Berlin Bertie von Howard Brenton leiten und Niels-Peter Rudolph zeigt Carl Sternheims Der Nebbich. Ruhe! Wir stürzen ab! heißt ein Projekt von Dario Fo, das am Ende der Spielzeit für die Kammerspiele projektiert ist.

Daß der Spielbetrieb im Deutschen Theater in der kommenden Spielzeit womöglich abstürzen könne, glaubt zwischen dem historischen Gerümpel trotz Langhoffs wortreichen Lammentos niemand ernstlich. Auch wenn die Brecht- Kanzel noch eine Weile in der Rumpelkammer auf andere Zeiten warten muß, gibt es doch immer noch Pläne für ein Übermorgen. Und so läßt sich Thomas Langhoff, obwohl er's doch eigentlich nicht wollte, am Ende noch zu einer kleinen Indiskretion hinreißen: Für die übernächste Spielzeit ist mindestens eine Zusammenarbeit mit Alexander Lang geplant. Und zumindest am Deutschen Theater werden »Abmachungen eingehalten!« Klaudia Brunst