Abfischen mit „Massenwellen“

Hörfunkreform bei Radio Bremen — trotz stabiler HörerInnen-Zahlen  ■ Aus Bremen K. Wolschner

Massive Einbrüche bei den Hörfunk- Einschaltquoten hatten Anfang Juni die Chefetage von Radio Bremen (RB) aufgeschreckt. „Horrorzahlen der sogenannten Hörfunk-Analyse Nord“ nannte Intendant Karl-Heinz Klostermeier am Mittwoch diese Infratest- Zahlen. Doch die repräsentativere „Media-Analyse 92“ ergibt nun: Die Einschaltquoten von Radio Bremen sind nach Verlusten im vergangenen Jahr stabil, bei der kleinen Bremer Jugendwelle (RB4) gab es sogar relativ bedeutsame Zuwächse. Auch der populäre Kaffeepott in der Primetime verzeichnete Zuwächse von 17Prozent und rechnet der Werbewirtschaft nun 420.000 HörerInnen pro Stunde vor.

Radio Bremen reagiert dennoch auf die zunehmende private Konkurrenz und die veränderten Hörgewohnheiten und hat für den 1.September eine Programmreform vorbereitet. „Ein Kraftakt“, sagt der neue Programmchef Hörfunk, Hermann Vinke, der erst seit drei Monaten im Amt ist. Die Stimmung im Funkhaus habe sich verbessert. „Seitdem Karola Sommerey weg war, ist hier im Hause ein anderer Geist eingezogen“, meinte Intendant Klostermeier zum Ausscheiden der alten Hörfunk-Programmchefin, die zum Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) nach Leipzig wechselte.

Mit zwei „Massenprogrammen“ und zwei „Kulturprogrammen“ (einer neu konzipierten Klassik- und einer Wortwelle) will Radio Bremen seine Marktführer-Position in dem Zweistädtestaat samt niedersächsischem Umland behaupten. Die „Massen-Wellen“ sollen nach dem Schema der Privaten dabei „durchhörbar“ sein und mit weniger Wort- Anteil „mehr auf den Geschmack der Leute eingehen“ (Vinke). Die 14- bis 30jährigen bekommen mit der Jugend-Welle (RB4) ein „ausschließlich an den Präferenzen der angestrebten Zielgruppe“ orientiertes Musikprogramm, Computerauswahl sorgt für den homogenen Sound. Die „Hansawelle“ (RB1) hingegen fischt die älteren Generationen mit mehr deutschem Schlager ab. Beide Programme sollen mit Verkehrsfunk und kurzen Wortbeiträgen die „informationelle Grundversorgung“ garantieren und Radio Bremen als „Heimatsender für die Region“ profilieren.

Während die „Massenwellen“ und die „Klassik-Welle“ (RB3) bereits Wellenchefs und ein finanzierbares Konzept haben, fehlt für die „populäre Wortwelle“ (RB2) noch beides. Dort sammeln sich das Kultur-Journal am Morgen, die AusländerInnen-Sendung Daheim in der Fremde, anspruchsvolle Hörspiele und vertiefende Information über das politische Geschehen in der Region und der Welt — das einzige RB-Programm, das man „zu bestimmten Sendungen einschaltet“, so wie es eben früher als Hörergewohnheit unterstellt war.