ENTHORNEN ALS LETZTES MITTEL GEGEN AUSSTERBEN „SCHWARZER NASHÖRNER“

Dolchgriffe für die Reichen

Harare (taz) — Den Wildhütern in Simbabwes Nationalpark Matuziviadona bot sich ein gewohntes Bild: Wilderer hatten die Nashornkuh und ihr Junges erschossen. Doch diesmal mußte das Motiv Rache gewesen sein. Das Muttertier gehörte zu den 15 Nashörnern, die in diesem Monat „enthornt“ worden waren. In einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit und den Wilderern versuchen Simbabwes Behörden derzeit, allen verbleibenden Schwarzen Nashörnern das Horn abzusägen, um sie vor dem Aussterben zu retten. Dabei schlagen sie die Bedenken mancher Wissenschaftler in den Wind, weil ihnen kein anderes Mittel mehr gegen das Wildern einfällt.

„Die Zeit läuft aus“, erklärte kürzlich Glenn Tatham, Chef der paramilitärischen Anti-Wilderer-Einheit Simbabwes, „1995 wird es keine freilebenden schwarzen Nashörner mehr geben.“ Tathams Einheiten kämpfen vor allem an der Grenze zum Nachbarland Sambia im Zambezi-Tal eine Art Guerilla-Krieg gegen Wilderer, die vor allem aus dem nördlichen Nachbarland einsickern. Die Einheiten haben „Shoot to Kill“- Befehl: sie sollen Wilderer nicht nur anschießen, sondern möglichst gleich töten.

150 Banditen starben bisher im Kugelhagel der Wildhüter, 1.000 Nashörner fielen während der letzten acht Jahre Wilderern zum Opfer. „Wir müssen auf beiden Seiten des Zambezi operieren“, verlangt Tatham. Als Begründung dient ein Beispiel von Anfang Mai. Ein schwerverletzter Wilderer hatte sich nach Sambia retten können. Zeugen beobachteten, wie er sich in einem öffentlichen Krankenhaus behandeln ließ, ohne daß die dortige Polizei eingriff.

Die Hörner werden im Mittleren Osten zu Dolchgriffen verarbeitet und vor allem in Fernost zu traditioneller Medizin verpulvert. Die Wilderer bringen ihre Beute von der Grenze zu Simbabwe in Sambias Hauptstadt Lusaka, wo das gleiche Schmuggelnetzwerk die heiße Ware übernimmt, über das auch Elfenbein verschoben wird.

Der Buschkrieg um die Nashörner wird mit automatischen Sturmgewehren geführt und nimmt teilweise solche Ausmaße an, daß Simbabwes Wildhüter gewisse Gegenden mancher Naturparks zwischenzeitlich für das Publikum schließen müssen. Das Wilderer-Problem an der Grenze führte bereits in der Vergangenheit zu Belastungen zwischen den beiden Ländern. Jetzt verlangt Simbabwe erneut einen Vertrag von Sambias Präsident Frederik Chiluba, mit dessen Hilfe das Problem gelöst werden könnte.

„Wir wissen, was wir tun könnten“, erklärt Glenn Tatham, aber wegen der Lage der internationalen Gesetzgebung sei nur „fudge all“ möglich — eine gesellschaftsfähige Beschreibung des mit einem starken Kraftausdruck versehenen „Nichts“. Und sollten frustrierte Wilderer nun ihre Wut auch an „enthornten Nashörnern“ auslassen, steht es tatsächlich schlimm um die Zukunft der bis zu zwei Tonnen schweren „Schwarzen Rhinos“. Willi Germund