„FRAUENABTEILE“ IN KAIRO ZUM SCHUTZ VOR SEXUELLER BELÄSTIGUNG

Kleinkrieg an der Haltestelle

Kairo (afp) — In einigen Autobussen der ägyptischen Hauptstadt Kairo gibt es jetzt „Frauenabteile“. Angesichts der meist proppenvollen Busse hat das offensichtlich viele Fahrgäste aufatmen lassen. Vor allem bei den Frauen ist die Erleichterung groß, weil sie damit dem täglichen Kampf um einen Sitz- oder Stehplatz entgehen und auch keine sexuellen Belästigungen mehr fürchten müssen. Momentan beschränkt sich das Projekt jedoch noch auf eine einzige Buslinie in der ägyptischen Hauptstadt, die zwischen einem Vorort und dem Zentrum pendelt. Seit einer Woche sind den Frauen dort Sonderabteile, und damit ein Drittel der Sitzplätze vorbehalten.

Die Maßnahme ist in Kairos U-Bahn schon seit deren Inbetriebnahme Mitte der achtziger Jahre Usus; dort ist immer ein Wagen nur für Frauen reserviert. Daß Männer und Frauen jetzt auch in den Bussen getrennt sitzen sollen, hat seinen Grund: Wie der Sprecher des öffentlichen Verkehrsunternehmens, Mohamed Bajumi, sagte, war eine Frau während des Fastenmonats Ramadan mitten in Kairo an einer Bushaltestelle sexuell belästigt worden. Der Vorfall habe nicht nur einen allgemeinen Sturm der Entrüstung, sondern auch eine mehrere Wochen andauernde hitzige Debatte in der ägyptischen Presse ausgelöst. Daraufhin habe Staatschef Husni Mubarak ein Einschreiten der Regierung angekündigt und die Medien zugleich aufgefordert, die Panik in der Bevölkerung nicht noch mehr zu schüren.

Unmittelbar nach dem spektakulären Vorfall hatte ein privates Transportunternehmen einen speziellen „Frauenbus“ eingerichtet, der zu den Hauptverkehrszeiten zwischen zwei Kairoer Arbeitervierteln hin- und herfuhr. Eine große Mehrheit der Frauen begrüßte diesen Vorstoß. Viele haben in Leserbriefen an die Tageszeitung 'Al-Ahram‘ die generelle Einführung des Modells gefordert. Trotzdem war das Thema weiterhin umstritten. Angesichts der fundamentalistischen Strömung, die seit einigen Monaten immer mehr Zulauf gewinnt, äußerten einige liberale Schriftsteller die Befürchtung, getrennte Busabteile seien Wasser auf die Mühlen der Fundamentalisten. Die Reaktion der Frauen kam prompt: „Diese Befürchtungen sind völlig unangebracht. Wenn die, die so etwas sagen, wüßten, welchen Unanehmlichkeiten die Frauen in den Bussen ausgesetzt sind, würden sie ihre Meinung ändern“, empörte sich eine Frau in einem Leserbrief. Sie wies zugleich darauf hin, daß sie keinerlei Sympathie für die Islamisten empfinde.

Die Reaktion der Ägypterinnen ist angesichts des täglichen Spektakels an den Bushaltestellen verständlich: Zu den Hauptverkehrszeiten sind in Kairo rund 1.800 Busse im Einsatz, in denen sich fünf Millionen Fahrgäste zusammendrängen. Dabei sind es die Männer, die die Wagen allen voran buchstäblich erstürmen. Den Frauen bleibt, wollen sie sich nicht in das oft gefährliche Gedränge stürzen, nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben und nach den Stoßzeiten einen weniger vollen Bus zu nehmen. Allerdings gibt es auch Frauen, die von der Geschlechtertrennung im Bus wenig halten. So schrieb kürzlich eine Leserin in einer Wochenzeitung: „Wieder einmal verblüfft mich die Art und Weise, wie die Regierung mit unseren Alltagsproblemen umgeht. Das einzig wirksame Rezept gegen das Übel wäre doch der Einsatz so vieler Busse, daß Männer und Frauen in aller Ruhe einsteigen könnten und nicht mehr dem Kleinkrieg an der Haltestelle ausgesetzt wären.“ Mona Salem