INTERVIEW
: Die »dritte Welt« beginnt im Grunewald

■ Eine Nachbereitungstagung im Haus der Kulturen der Welt soll helfen, die Beschlüsse von Rio in Berlin umzusetzen

Rio und kein Ende. Eine »erste Bilanz der UN- Konferenz zu Umwelt und Entwicklung« verspricht die Berliner Nachbereitungstagung, die heute abend im Haus der Kulturen der Welt eröffnet wird. Michael Schwartzkopff von der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit des Berliner Senats hat die Konferenz gemeinsam mit der Nord-Süd-politischen Initiative »Germanwatch« organisiert. Sie wird bis Samstag dauern.

taz: Hat Rio nicht vor allem gezeigt, daß unverbindliche Ökologie-Konferenzen uns keinen Schritt voranbringen? Jetzt veranstalten Sie in Berlin noch eine »Umwelt und Entwicklungs«- Tagung — muß das sein?

Michael Schwartzkopff: Der Vorwurf liegt auf der Hand. Aber unser Interesse ist es, zu umsetzungsorientiertem Denken zu kommen. Wie werden die Beschlüsse denn in die Realität umgesetzt, die auf der UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro getroffen worden sind? Doch nicht in Rio! Gemäß der Devise »Global denken — lokal handeln« soll hier diskutiert werden, was sich konkret in Berlin umsetzen läßt. Zum Beispiel ein Tempolimit oder Busspuren durchzusetzen, das ist ja nicht abhängig von der Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten!

Aber stehen dafür nicht die falschen, die »großen« Themen auf dem Programm? »Was heißt dauerhafte Entwicklung?« oder »Kann der Regenwald gerettet werden?« fragen die Titel der Diskussionsrunden...

Wir ziehen den Bogen von der UNCED runter zu Berlin, nach dem Motto: Die dritte Welt beginnt hier. Wir versuchen die Weltteile miteinander zu verbinden: Es geht nicht nur um den abgeholzten Regenwald, sondern auch darum, daß der Grunewald nicht versauert. Aber wir sind ja nicht der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, sondern das Thema ist schon: Wie bringt man der Berliner Bevölkerung Entwicklungspolitik nahe?

Es geht also auch um Informationsarbeit gegen Argumentationen wie: Die Indianer können halt nicht mit ihrem Urwald umgehen, deshalb stirbt er... Rio ist ja oft nur als »Umweltkonferenz« durchgegangen, und die Frage der Entwicklung ist hinten runtergefallen. Dabei ist das Problem, warum, drastisch gesagt, die Umwelt vor die Hunde geht, ja eine Entwicklungsfrage! Und da sind die Industrieländer gefordert, die ihr Entwicklungsmodell exportieren.

Zwei Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit der Ökologie-Problematik in Osteuropa — aber es ist kein einziger Vertreter aus den einstigen Ost-Block-Ländern eingeladen, ganze zwei kommen aus der ehemaligen DDR. Wenn schon so eine Konferenz in Berlin gehalten wird, wäre es da nicht gerade die Chance gewesen, Ost und West zur Diskussion zu bringen?

Wir sind eine kleine Landesstelle und haben nicht viel Geld, es ist einfach auch eine Kostenfrage: Wir können keine Dolmetscher für die Tagung bezahlen und keine Referenten aus Moskau oder sonstwo einfliegen lassen.

Gab es aus der Ex-DDR niemanden, den man sonst noch einladen wollte?

Doch, wir haben da schon mehr Leute versucht einzuladen. Aber wir haben das Ganze relativ kurzfristig aus dem Boden gestampft, und es ist Beginn der Ferienzeit... Interview: Bert Hoffmann