ESSAY
: Remaskulinisierung der USA

■ Was der Golfkrieg und die Verurteilung von drogensüchtigen Schwangeren wegen „Kindesmißhandlung“ miteinander zu tun haben

Die Debatte über die Remaskulinisierung der US-amerikanischen Gesellschaft hat Susan Jeffords mit ihrem Buch The Remasculinization of America — Gender and the Vietnam War eingeleitet, das 1989 erschien. Sie zeigte darin, daß der Vietnamkrieg in den 80er Jahren neu interpretiert wurde, als Schauplatz des Geschlechterkampfes, in dem männliche Normen und Verhaltensweisen eine neue Aufwertung erhielten. Ich möchte noch weitergehen und die These formulieren, daß die neue Maskulinität, wie sie im „erfolgreichen“ militärischen Einsatz im Golfkrieg bewiesen wurde, jetzt als Lösungsstrategie für die sozialen Probleme in den USA angeboten wird— inklusive der Abtreibungsfrage.

Remaskulinisierung ist für Susan Jeffords das Wiederaufleben von positiv besetzten Vorstellungen, Metaphern und Bewertungen von Männern und Maskulinität. Natürlich ist die Komposition solcher „Maskulinität“ zeitlich und geographisch sehr unterschiedlich. In den USA von heute bedeutet das etwas anderes als 1920 und auch etwas anderes als in Deutschland. Wichtig ist dabei aber, daß diese kulturelle Vorstellung von Maskulinität oder Feminität unabhängig von den Individuen existiert, kein einzelner Mann, keine einzelne Frau kann sie verkörpern. Der „maskuline Standpunkt“ repräsentiert in diesem Sinne nicht die stoffliche, sondern die entstofflichte Maskulinität. Aber jeder Mann, der diesen Standpunkt teilt, kann damit an dieser fiktionalen Maskulinität partizipieren.

Gegen die verweichlichte Gesellschaft

Susan Jeffords hat dieses Buch 1988 geschrieben, lange vor dem Golfkrieg. Sie beschäftigte sich vor allem mit der Interpretation von Filmen wie Rambo, Missing in Action, Uncommon Valor und anderen, und sie beschrieb, wie das in den 70er bis Anfang der 80er Jahre noch dominante Schuldgefühl wegen des Vietnamkrieges in und durch diese Filme zurückgedrängt wurde. Der Fokus des Interesses richtete sich dabei immer weniger auf die politischen Strategien der USA und immer mehr auf den Kriegsschauplatz selbst und auf dessen „Helden“. Obwohl die zurückgekehrten Vietnamveteranen zuerst ganz und gar nicht als Helden behandelt, sondern sogar eher von der Gesellschaft ausgestoßen wurden, wurden die Soldaten nun plötzlich als Helden reinterpretiert. Der maskuline Soldatenheld, dessen Körper selbst zur Waffe wird, kämpft nun gegen die verweichlichte Gesellschaft, den femininen Staat, und er gewinnt. Aber natürlich nur im Zusammenschluß mit anderen Männern, im Männerbund, der als Prinzip höher steht als Familie und Staat.

Und dieser Männerbund, bei dem die Klassen- und Rassenunterschiede zwischen Männern völlig nivelliert und negiert werden, diente dann als Basis für die Remaskulinisierung der US-Gesellschaft. In Fernsehserien wie Miami Vice, Magnum und anderen tauchen nun plötzlich wieder die Vietnamveteranen auf. Ex-Präsident Nixon hat in seinem Buch No More Vietnam den Begriff „Vietnam-Syndrom“ mit dem Weiblichen, Gefühlvollen, Passiven gleichgesetzt. Diese Emotionen seien schuld an der Niederlage der USA in Vietnam. Die maskuline Brüderschaft beruht auf dem Mythos, daß mann gemeinsam den Tod besiegte — unter Ausschluß der Frauen. Für diese Männer trägt der feminine Staat aber nicht nur die Schuld an der Vietnam-Niederlage, sondern auch an den Rassenunruhen in Los Angeles. US-Präsident Bush behauptete sofort nach den Ausschreitungen, schuld seien die Sozialprogramme der 60er Jahre.

Auch im Zusammenhang mit der irakischen Invasion in Kuwait spielte diese weibliche Schuld eine besondere Rolle. Das Außenministerium klagte später April Glaspie an, seine damalige Botschafterin im Irak, Saddam Hussein zur Invasion ermutigt zu haben, obwohl sie ihre Anweisungen von Außenminister Baker erhalten hatte. Daraus zog das State Department die Schlußfolgerung, dieses Desaster sei von der Gleichstellungspolitik verursacht worden: „Wegen des intensiven Drucks, Frauen zu fördern, hatte sie anstatt 27 Jahren Erfahrung nur 21 Jahre und anstatt der dreijährigen Testschule für zukünftige Botschafter nur drei Monate absolviert.“

Im Golfkrieg selbst war die maskuline Metaphorik unübersehbar. Der „Watergate“-Journalist Bob Woodward beschreibt in seinem Buch Die Befehlshaber sehr genau, auch wenn er den Begriff Maskulinität nicht benutzt, wie Bush und Hussein sich selbst als das Männliche und den Gegner als das Weibliche definierten. Kein Wunder also, daß der alliierte Sieg in den Medien als Sieg der neuen Maskulinität dargestellt wurde. Seitdem wird immer wieder in der Presse gefordert: Wir brauchen General Norman Schwarzkopff als Präsidenten oder wenigstens Vizepräsidenten.

Diese Reaffirmation der maskulinen Werte im Krieg wird jetzt als Lösungsstrategie sozialer Probleme angesehen: Der Mann als Opfer eines femininen Staates muß sich und ganz Amerika in Brüderschaft mit anderen Männern von der Weiblichkeit befreien. Am klarsten zeigt sich das in der Abtreibungsdebatte. 1986 gründete der 26jährige Autoverkäufer Randalle Terry in New York die „Operation Rescue“, um die Abtreibungskliniken zu schließen. Die Mitglieder dieser „Operation Rettung“ sind meistens junge Männer, die dem zweiten Schub des Babybooms in den 60er Jahren entstammen. Susan Faludi beschreibt in ihrem Bestseller Backlash — Der unerklärte Krieg gegen die amerikanischen Frauen, daß Männer wie Terry ohne die Hilfe ihrer Frauen ihre Familien gar nicht hätten ernähren können. Sie kämpfen also gar nicht so sehr um den Fötus als gegen die erfolgreichen und unabhängigen Frauen. Erstens, weil sie ihre Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt befürchten müssen, zweitens, weil sie Angst vor ihrer sexuellen Freiheit haben.

Auf den Straßen und in den Gerichten wird nun also die männliche Kontrolle über den Embryo eingeklagt. In der Gesetzgebung existierte bis Mitte der 80er Jahre eine Trennung zwischen Mutter und Fötus. Jetzt aber gelten beide als Gegenspieler und der Fötus immer mehr als eine rechtlich unabhängige Person. In New Hampshire hat ein Gericht einen Embryo bereits als Haushaltsbewohner anerkannt — mit dem Recht, eine Versicherungsprämie einzukassieren. In rund der Hälfte aller Bundesstaaten werden nunmehr Gesetze über Kindesmißhandlung gegen die Mutter angewandt: Schwangere, die trinken oder Drogen nehmen, werden wegen Kindesmißhandlung gerichtlich belangt.

Der Fötus gehört dem Mann

Zwischen 1981 und 1986 gab es in 18 Bundesstaaten insgesamt 36 Fälle, in denen sich Schwangere einem chirurgischen Eingriff zur Rettung des Fötus verweigerten, und in 33 Fällen gaben die Gerichte den Ärzten das Recht, trotzdem einzugreifen. Der Fötus besitzt also tendenziell bereits höhere Rechte als die Frau. In Europa hat dieser Diskurs um die Rechte der Frau — noch — eine andere Richtung: Hier hat die Mutter die Aufgabe, das Baby aufzuziehen. In den USA hingegen werden die Mütter als dazu unfähig dargestellt: Sie brauchen die Männer, um die Kinder aufzuziehen, aber die Männer brauchen sie nicht mehr, so wie es in dem Film Boyz'n the Hood gezeigt wird.

Vor kurzem lief im US-Fernsehen die Serie Murphy Brown: Murphy Brown ist eine Karrierefrau, die alleine ein Kind bekommt. Neun Monate lang ging es wöchentlich um ihre Schwangerschaft und schließlich die Geburt. Am nächsten Tag verkündete Vizepräsident Quayle, daß die Unruhen in Los Angeles nicht durch materielle Armut, sondern durch eine Armut an Werten ausgelöst worden seien, wie sie Murphy Brown verkörpere. Das Übel liegt in den Frauen, die ihr Kind ohne Vater erziehen wollen.

Auch wenn in der hochdifferenzierten US-Gesellschaft immer noch starke Gegenkräfte zu diesen Tendenzen existieren: Das ist das erschreckende Neue an der amerikanischen Remaskulinisierung. Brigitte Young

Die Autorin ist Politologin an der Wesleyan Universität in Connecticut