Wieso wurde Laufer KGB-Agent?

Seit gestern steht der Ex-Diepgen-Mitarbeiter Stephen Laufer wegen Agententätigkeit vor Gericht/ Er stammt aus einer linken jüdischen Familie und machte in Berlin als Journalist Karriere  ■ Aus Berlin CC Malzahn

Vor Gericht steht seit gestern einer, der dreizehn Jahre lang einer geheimdienstlichen Agentätigkeit nachgegangen ist. Der Angeklagte Journalist Stephen Laufer, in der Berliner Presseszene bekannt wie ein bunter Hund, bestreitet nicht, sich von 1977 bis 1990 mit gewissen Gregors oder Viktors regelmäßig in Ost- Berlin getroffen und über seine Tätigkeit als Mitarbeiter verschiedener Zeitungen, des Berliner Senats und der US-Mission gesprochen zu haben. Der 38jährige, den sein weißer Bart älter aussehen läßt, als er ist, begann seinen Redebeitrag im Berliner Kammergericht gestern mit der Bemerkung, daß es grundsätzlich stimme, was der Staatsanwalt gerade als Anklage formuliert habe. Er wolle das Ganze aber erklären.

Laufer wurde als Sohn jüdischer Flüchtlinge 1954 in Südafrika geboren, sein Vater, der den Beruf eines Edelsteinfassers erlernt hatte, stammte aus Wien und flüchtete im Jahre 1937 aus Österreich. Die Mutter hatte der Vater auf einem Tanzvergnügen der südafrikanischen Jungkommunisten in Soweto kennengelernt; eine Organisation, die 1950 verboten wurde. Laufer, der seine Verteidigungsrede vom Blatt abliest, lebte 16 Jahre lang im Apartheidsstaat. Zu Anfang der Siebziger siedelte seine Familie nach Frankfurt am Main um, „weil es in Südafrika immer schlimmer wurde“. Vom Kap habe er die Erfahrung mit nach Deutschland gebracht, daß Konspiration „mitunter lebensnotwendig" sei. Seine Eltern seien zwar an illegalen Aktionen gegen das rassistische Regime in Pretoria nicht beteiligt gewesen. Was zu Hause besprochen worden sei, hätte keinen geeigneten Gesprächsstoff für die Schule abgegeben: zum Beispiel die Bemerkung des Vaters, er sei enttäuscht darüber, nicht als Soldat gegen Hitler-Deutschland gekämpft zu haben.

Die Eltern schickten Laufer auf die Odenwald-Schule in Heppenheim, eine Lehranstalt, die im Jahre 1910 von freidenkenden Juden gegründet worden war, im Faschismus geschlossen wurde und nach dem Krieg als modellhafte Reformanstalt galt. Der Rassismus in Südafrika habe Laufer ziemlich belastet, erinnert sich ein Mitschüler im Gespräch mit der taz. Die Zeit an der Odenwald-Schule sei „wichtig“ gewesen, sagt der Angeklagte dem Richter. Laufer verließ Heppenheim nach dem Abitur als Marxist, studierte Geschichte in England und in Berlin.

Glaubt man Laufer, dann wurde er Spion, weil sein Vater es wollte. Seine Eltern entschlossen sich im Jahre 1977 — nachdem sie in Frankfurt „immer mit dieser deutschen Vergangenheit konfrontiert wurden“ — nach Ost-Berlin zu ziehen. Die DDR nehme verfolgte Südafrikaner auf und sei ein antifaschistischer Staat, habe sein Vater ihm damals erklärt. Kurz nach der Übersiedelung der Eltern stellte ihm der Vater einen Bekannten vor: Gregor. „Es ist gut, wenn Du mit dem redest!“ habe es geheißen.

Stephen Laufer begriff schnell, in wessen Auftrag Gregor, der später durch Viktor und andere abgelöst wurde, tätig war. Als Gregor sich für Flugblätter linker Studentengruppen zu interessieren begann und ihm als Gegenleistung Geld anbot, stellte der Sohn den Vater zur Rede. Das sei sicher ein Mißverständnis, habe der ihm geantwortet. Gregor sprach das Thema Geld nicht mehr an. Wenig später, so berichtet Laufer, habe er ein Mitglied des ANC getroffen und gefragt, was ein weißer Gegner des südafrikanischen Regimes in Berlin Sinnvolles tun könne. Der Schwarze habe dem Weißen gesagt: „Der Freund meines Freundes ist mein Freund.“ Die Sowjetunion war ein besonders großer Freund des ANC.

Laufer machte Karriere: Nach einem Volontariat beim liberalen Boulevardblatt 'Abend‘ wechselte er im Mai 1981 zur Springer-Zeitung 'BZ‘. Dort stieg er zum Ressortleiter auf, im Sommer 1984 nahm er einen Job im Stab des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen an. Mit Viktor habe er sich ungefähr einmal im Monat getroffen. Um was es in diesen Gesprächen gegangen sei, will der Richter wissen. Laut Laufer ging es um wenig. „Wir haben politisch diskutiert. Aber was ich an Einschätzungen ablieferte, stand auch in den meisten Kommentaren der Zeitungen.“ Einmal habe er ein komplettes Telefonverzeichnis der Senatskanzlei abfotografiert und nach Ost-Berlin geschmuggelt. Diese Liste sei aber kaum geheim zu nennen, da jeder Rathausreporter, der etwas findig sei, sie in seiner Schublade zu liegen habe. Der Richter mag nicht glauben, daß der KGB dreizehn Jahre lang nur belanglose Informationen gesammelt habe. „Nichts war so unwichtig, daß man es nicht gespeichert hätte“, hält Laufer dem entgegen.

Laufer steht wegen „geheimdienstlicher Tätigkeit“ vor Gericht; tiefer kann ein Staatsanwalt eine Spionageanklage nicht hängen. Nicht das Was, sondern das Warum steht schon jetzt im Mittelpunkt des Verfahrens. Die Antwort auf die Frage, warum Stephen Laufer Agent wurde, lieferte der Angeklagte gestern mehrfach in zitierfähigen Sätzen wie: „Ich habe ein Stück des Lebens meines Vaters gelebt!“ Einigen Gerichtsreportern ging das zu glatt. Der Prozeß wird heute fortgesetzt.