Bereit zu territorialen Kompromissen

■ Rabin favorisiert eine Teil-Autonomie für die Palästinenser als Zwischenlösung

Rabin wird seine Hauptaufgabe zunächst in der Wiederherstellung der engen Beziehungen mit Washington sehen und versuchen, die zehn Milliarden Dollar Kredit- Garantien für Israel doch noch zu sichern. Schamir hatte sie nicht erhalten, weil er nicht bereit war, Bushs Bedingung — die Unterbrechung des Baus neuer Siedlungen in den besetzten Gebieten — zu akzeptieren. Da sich Rabin bereit erklärt, weitere „politische Siedlungen“ in den besetzten Gebieten zu stoppen, um — wie er sagt — auf diese Weise die Mittel für die wirtschaftliche Entwicklung Israels und für die Eingliederung der Neueinwanderer zu gewinnen, scheinen die Aussichten für eine Bestätigung der amerikanischen Kreditgarantien gut. Rabin ist der Meinung, daß er ein Abkommen über eine Teil-Autonomie in den besetzten Gebieten als Zwischenlösung mit den Palästinensern aushandeln kann. „Später werden wir im Prinzip auch bereit sein, eine Lösung mit territorialen Kompromissen zu finden“, sagte Rabin. Er fügt allerdings hinzu, daß das nicht bedeutet, daß Israel jemals bereit sein wird, sich auf die Waffenstillstandslinien von vor 1967 zurückzuziehen. „Wir werden auch weiterhin auf Grenzen bestehen, die wir verteidigen können. Zum Beispiel wollen wir, daß der Jordanfluß Israels Verteidigungslinie im Osten bleibt“, verspricht Rabin.

Rabin stellt sich als kompromißbereiter Pragmatiker dar. „Territoriale Kompromisse — ja; aber keinesfalls Kompromisse, die Israels Sicherheit gefährden können“, erklärte Rabin kürzlich. „Ich bin zu keinerlei Konzessionen in Sicherheitsfragen bereit, aber ich bin bestimmt bereit, Gefühle und Territorien zu opfern sowie auf 1,7 Millionen arabische Bewohner (der besetzten Gebiete, d. Red.) zu verzichten — wenn wir damit den Frieden gewinnen.“

Über die Zukunft des Golan, des syrischen Hochplateaus, das Israel im Sechstagekrieg 1967 erobert hat, sagte Rabin vor kurzem, daß „Israels Streitkräfte weiterhin im Golan bleiben müssen, auch wenn und nachdem es einmal zum Friedensvertrag mit Syrien kommt. Auch hier darf sich Israel keinesfalls auf die Linien zurückziehen, die vor dem Sechstagekrieg gegolten haben. Der Golan ist in erster Linie für die Sicherheit Israels bedeutsam; auch im Frieden wäre unvorstellbar, daß wir uns aus dem Golan zurückziehen“, sagte Rabin.

Durch seine lange militärische Laufbahn ist Rabin geneigt, die Dinge primär aus militärischer Sicht zu beurteilen. Er ist auch stärker auf Washington orientiert als die Regierung Schamir. Rabin ist aus seiner Zeit als israelischer Botschafter in Washington Ende der 60er Jahre gut bekannt und angesehen. Man erwartet dort, daß eine israelische Regierung mit Rabin an der Spitze harmonischer mit den USA zusammenarbeiten wird, um den Friedensprozeß in die Wege zu leiten.

Die meisten Beobachter sehen eine Parallele in der Entwicklung der letzten Monate zu der Krise, die im Frühjahr 1977 den Likud — damals unter Menachem Begin — an die Macht gebracht hat. Nun hat sich das Blatt gewendet. Die Arbeiterpartei, die ihre Oppositionsrolle nie akzeptieren konnte (sie fühlt sich „zur Macht geboren“) muß Rabin dafür zu Dank verpflichtet sein, daß er ihr diese Chance zur Rückkehr zur Macht gegeben hat. Für Rabin selbst ist es auch der späte triumphale Sieg über seinen Parteigenossen und Erzrivalen Schimon Peres. Amos Wollin