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■ KEIN GERÜCHTFünf Kultursenatoren sind genug

Fünf Kultursenatoren sind genug

Wenn sich empörte Bürger die arroganten Politiker vornehmen, trifft es meistens die falschen. Das erfuhr Senatschef Eberhard Diepgen, als er am Sonntag vor dem Senatsgästehaus zur Sparklausur erschien. Aufgeschreckt von Zeitungsmeldungen hatten sich vor dem Tor 50 pfeifende und johlende Erzieherinnen, Eltern und Kinder versammelt. Diepgen, mit Polohemd und Sonnenbrille nur unzulänglich getarnt, zog besonderen Unmut auf sich. Kein Wort habe er mit den Bürgern gewechselt, empörte sich eine Mutter.

Was sie nicht ahnte: Den wahren Bösewicht hatte die Protestversammlung völlig ungeschoren entkommen lassen. Wirtschaftssenator Norbert Meisner, der im Vorfeld der Klausur die Schließungen eines Uni-Klinikums und einer Oper angeregt hatte, wurde von kaum jemandem erkannt: Anders als seine Kollegen kam Meisner nicht mit dem dicken Dienstmercedes, sondern mit seinem Fahrrad. Völlig unauffällig schob er sich auf dem silbergrauen Zweirad, Marke »Hercules«, in das rettende Tor.

Meisner, der Asket, konnte seine gute Kondition bei den Sparberatungen brauchen: Oper und Klinikum hatten einen engagierten Fürsprecher in Eberhard Diepgen. Er widersprach den Schließungsideen schon öffentlich, als die Diskussion im Senat noch gar nicht beendet war. Meisner, dem seit seiner Amtszeit als Finanzsenator in der rot-grünen Koalition der Sparwille zur zweiten Natur geworden ist, blieb nichts als eine sarkastische Klage: In einer Regierung „mit fünf Kultursenatoren“ wolle er nicht Finanzsenator sein.

Als Kultursenatoren ehrenhalber dürfen sich seitdem neben dem hauptamtlichen Kulturverwalter Ulrich Roloff-Momin auch Senatschef Diepgen, Finanzsenator Elmar Pieroth sowie die Fraktionschefs von CDU und SPD, Klaus Landowsky und Ditmar Staffelt fühlen. Und alle zusammen müssen sich seit der Senatsklausur mal wieder fragen, für welche bislang verborgen gebliebenen Verdienste Herrn Herwig Haase eigentlich der Titel eines Verkehrssenators verliehen wurde.

Die Bedenken gegen die Umweltkarte für Autofahrer, die Haases Verwaltung zwei Tage nach der Senatsklausur aus dem Hut zauberte, hatte sie vor der Senatsklausur vor ihrem Senator offensichtlich streng geheimgehalten. In der Senatssitzung jedenfalls hörten die Kollegen des Verkehrssenators von ihm keinerlei Einwände gegen das Modell, das — nebenbei — seit Jahren diskutiert wird. Haases Beamten haben es sicher gut gemeint. Wer will schon den Chef mit jeder Kleinigkeit belasten!Hans-Martin Tillack

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