Störtebeker auf Sockel

■ Ostfriesische Gemeinde ehrt den großen Seeräuber

Klaus Störtebeker kommt knapp 600 Jahre nach seiner Hinrichtung in Ostfriesland zu Ehren. Der Gemeinderat von Marienhafe ließ den Seeräuber für 130000 Mark in Bronze gießen und auf dem Marktplatz aufstellen. Der aus Leer stammende Künstler Karl-Ludwig Böke formte das überlebensgroße Standbild nach der verfügbaren Mischung von Geschichtsschreibung und Legenden.

Verbunden fühlt sich Marienhafe mit dem 1401 in Hamburg hingerichteten Störtebeker als ehemaliger Schlupfwinkel des Freibeuters. Den unwirtlichen Winter verbrachte er den spärlichen Geschichtsdokumenten zufolge in Marienhafe. Der kleine Ort im Binnenland war nach einer Sturmflut vorübergehend von See aus zu erreichen, möglicherweise ein Betriebsgeheimnis Störtebekers.

Wegen Seeräuberei hingerichtet wurde Störtebeker auf dem Grasbrook in Hamburg. Ein Verbrecher nach hamburgischen Gesetzen. Überliefert ist die Legende, er habe bereits enthauptet noch eine Reihe seiner mitangeklagten Vitalienbrüder, wie die Seeräuber in Nord- und Ostsee genannt wurden, abgeschritten. Jedem, an dem der Chef noch vorbeikam, rettete er den Kopf. Unbewiesen ist die Geschichte, daß der hanseatische Henker dem Geköpften ein Bein stellte, weil er um sein Kopfgeld bangte.

Mittelalterliche hanseatische Rechtsfindung war nicht der einzige Maßstab für die Marienhafener beim Denkmalauftrag. Störtebeker sei in seiner Zeit so etwas wie ein freischaffender Agent gewesen, vermutet einer der Archivbuddler. Die Fähigkeiten des außerordentlichen Seemanns hätten auch Staatsführer wie die dänische Königin Margarethe I. genutzt. In Staatshändeln mit Nachbarn, unter anderem an der mecklenburgisch- pommerschen Ostseeküste, habe sie Leute wie Störtebeker als eine Art Geheimdienst ohne Angriffsflächen genutzt. Vermutlich als die Geschäfte mit Staatsknete schlechter gingen, verlegte sich Störtebeker auf Seeräuberei. Handelsschiffe aus Hamburg und Umgebung waren vor seinen Kaperungen nicht mehr sicher.

Auch an eine frühe Form des Asylrechts erinnern sich die Marienhafener mit Blick auf Störtebeker. Nach dem für Marienhafe geltenden „Brookmer Recht“ fand jeder Verfolgte erst einmal Aufnahme und Zuflucht. Mit einer gewichtigen Auflage: Die geltenden Gesetze seiner Gastgeber verletzen durfte er nicht, bei Strafe der Ausweisung oder Schlimmerem. Manfred Protze