: Bremer Senat vor der Kiwi-Frage
■ Scipio-Chef Wessels: Jetzt soll der Fruchtumschlag doch nicht nach Bremerhaven umziehen
Morgen will der Senat endgültig über den „Fruchtumschlag“ entscheiden. Um das Gebiet des alten Europahafens für citynahes Gewerbe nutzen zu können, war überprüft worden, wie Löschung und Lagerung der importierten Früchte nach Bremerhaven zu verlagern wären. Zwei Tage vor dem neuerlichen Entscheidungstermin gehen die Betroffenen — die Firmengruppe Scipio/Atlanta und die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) — davon aus, daß der Fruchtumschlag doch im Europahafen bleiben wird. In naher Zukunft müßte dafür sowohl die Weser wie das alte Europahafen-Becken ausgebaggert und auf eine Fahrtiefe von 9 Meter bis 9,50 Metern gebracht werden, damit die großen Übersee-Frachter anlegen können.
Seit einigen Jahren drängt der Geschäftsführer von Scipio/Atlanta, Bernd-Artin Wessels, darauf, daß er neue Kühl- und Lagerflächen bekommt. Zitusfrüchte werden bis zu sechs Wochen zwischengelagert, Kiwis aus Neuseeland sogar bis zu drei Monaten, weil die Saison kurz ist und die Früchte aus einer Erntewoche mehrere Monate lang verkauft werden. Vielfach müssen die Früchte erst hier vor Ort nachreifen. Scipio will Äpfel und Birnen aus Argentinien über Bremen importieren — kurz: Die Lagerkapazität reicht nicht aus.
Als aus städteplanerischen Gründen das citynahe Europahafenbecken als Gelände für eine Stadterweiterung ins Gespräch kam, verlor die Bremer Lagerhausgesellschaft das Interesse an einer Verlegung des Fruchtumschlags in ein neues Hafenbecken zum Beispiel links der Weser. Auch Bemühungen, in der Nähe des Bananenumschlags in Bremerhaven einen neuen Standort für die Südfrüchte zu finden, „haben sich kurzfristig zerschlagen“, sagt Scipio/Atlanta-Chef Wessels.
Wessels selbst hatte mit Unterstützung des Bremer Wirtschaftssenators Claus Jäger mit dem Autoimporteur Harms und anderen verhandelt, um eine Lösung in Bremerhaven zu finden. Auch der Bremerhavener Wirtschaftsstadtrat Werner Lenz hatte dies unterstützt. Die BLG argumentierte aber mit einer zukünftigen Erweiterung des Autoumschlags aus Fernost. Wessels: „Ich gehe davon aus, daß die sich das nicht aus den Fingern saugen, sondern daß sie solche Verhandlungen wirklich geführt haben oder führen.“
So hat sich der Scipio-Chef Mitte Juni prinzipiell mit dem Vorstand der Lagerhausgesellschaft darauf verständigt, im Europahafen zu bleiben. Bedingung: Es gibt keine in die Strommitte vorgelagerte Kaje, weil dann die Früchte durch die Sonne in die Kühlhallen transportiert werden müßte. Stattdessen muß der Europahafen auf 9,50 Meter vertieft werden. Wessels: „Das war seit Jahren geplant.“
Zweite Bedingung: Die jährlichen Zuschüsse von 4,5 Millionen Mark, die die BLG aus Zinsen von Pensionsfonds-Geldern im März in die günstige Kalkulation für den Europahafen eingeschmuggelt hatte (vgl. taz 16.6.), müssen fließen. Für den Scipio- Chef ist die Sache einfach: Die BLG will im Hafen investieren, dann muß sie dies auch finanzieren und kann die Kosten nicht einem Kunden aufdrücken. Das sähe die BLG auch so.
Wenn die Standort-Frage zur Zufriedenheit geklärt ist, soll zwischen der Atlanta-Firma „Internationale Spedition Heuer & Co“ und der BLG eine gemeinsame Tochterfirma gegründet werden, über die die „Mietsubvention“ (Lagerhaus-Sprecher) fließen soll. Für Wessels ist dabei klar, daß es sich letztlich um staatliche Hafen-Gelder handelt: „Es sind nicht Pensionsfondsgelder, es sind Zinsen von der Stadt.“ Wie die BLG aus der peinlichen Lage herauskommt, die entstanden ist, als die geplante Miet-Subvention öffentlich wurde, ist Wessels dabei egal.
Für die Dringlichkeit des Ausbaus hat Wessels jederzeit Beispiele bereit. In den letzten Wochen etwa hat Scipio die Masse der Ware in Eemshaven gelöscht, das ist ein neuer, weitgehend ungenutzter holländischer Hafen. Weil die Kapazität in Bremen nicht ausreicht, habe er notgedrungen immer wieder Lieferungen teilen müssen — „nach dem Motto: 12 Schiffe nach Bremen und sechs nach Hamburg.“
Nachdem sein Ultimatum Ende März verstrich, hofft Wessels jetzt auf den 30.Juni. Wieder spielt er mit Plänen, den Fruchtumschlag ganz von Bremen wegzunehmen. In Hamburg, so stehe in der Zeitung, wird derzeit ein Terminal für den Bananenumschlag gebaut, das angesichts der EG-Bananenpolitik viel zu groß projektiert ist. In Cuxhaven habe Scipio eine Alternative gefunden, geht das Gerücht. „Cuxhaven stimmt nicht, aber die Richtung stimmt“, bestätigt Wessels solche Gerüchte gern: „Die Kühlhalle könnte man so auslegen, daß dort gleichzeitig Bananen gelöscht werden können.“
Dieser Hinweis sitzt: Während der Fruchtumschlag eher ein Zuschußgeschäft ist, verdient die BLG am Bananenkai Geld. Aber nach der Peitsche fehlt bei dem Fruchthändler nie das Zuckerbrot: „Bremerhaven bleibt weiterhin unsere Präferenz.“ K.W.
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