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Major will EG-Vorsitz taktisch nutzen

Berlin (taz) — Jetzt, da ihre Position zu EG-Europa international im Aufwind ist, hat Margaret Thatcher in ihrem eigenen Land nur noch wenig zu melden. Die zur „Baroneß von Kesteven“ beförderte Ex-Regierungschefin sitzt neuerdings im House of Lords, wo sie repräsentieren statt Politik machen soll. Dennoch verhallte die Tirade vom vergangenen Wochenende, mit der sie gegen den „europäischen Superstaat“ zu Felde zog und ein Referendum über die Maastrichter Verträge verlangte, keinesfalls ungehört. Zwei Tage bevor er die Ratspräsidentschaft der Europäischen Gemeinschaft übernahm, mußte Ministerpräsident John Major am Montag abend ausführlich auf ihre „unrealistischen Alpträume“ eingehen. Schließlich weiß er, daß sich auf den hinteren Bänken seiner eigenen Fraktion die „Euroskeptiker“ schon auf einen heißen Herbst vorbereiten.

Referenden seien „Hilfsmittel für Demagogen und Diktatoren“, erinnerte Major seine Vorgängerin an eine Position, die sie selbst im Jahr 1975 vertreten hatte. In diesem Sinne sei auch eine Volksabstimmung über die Maastrichter Verträge falsch. Anstatt die Europa-Angst einiger „weniger Leute“ zu schüren, will er die britische Ratspräsidentschaft taktisch nutzen, um eine Zentralisierung der EG zu verhindern. „Es wäre unvernünftig, diese Gelegenheit verstreichen zu lassen“, sagte er im britischen Unterhaus, „Großbritannien muß im Herzen Europas bleiben.“

Wenn Major heute die EG-Ratspräsidentschaft für sechs Monate übernimmt, heißt sein wichtigstes Vorhaben „Subsidiarität“. Der Begriff aus dem Wörterbuch der EurokratInnen bedeutet, daß politische Entscheidungen wann immer möglich statt in Brüssel auf der untersten Ebene in den Mitgliedsländern gefällt werden sollen. Freilich wird das Instrument „Subsidiarität“, das Bonn und London in die Debatte gebracht haben, je nach Interessenlage unterschiedlich interpretiert: Die EG-Kommission behält sich das Recht vor, auszuwählen, was in Brüssel und was woanders beschlossen wird. Major hingegen will einen größtmöglichen Katalog von Themen festlegen, die national entschieden werden. Zu diesem Zweck will er die Maastrichter Verträge noch einmal gänzlich durchforsten.

Das zweite Hauptziel Majors heißt „Erweiterung“. Schon lange wirbt die britische Regierung für und um neue Mitgliedsländer in der EG. Der Lissaboner Gipfel hat dieses Ziel zur offiziellen Politik gemacht. Allerdings werden die Beitrittsverhandlungen voraussichtlich erst 1993 nach dem Ende der britischen Ratspräsidentschaft beginnen.

Bremsen wird die britische Regierung vor allem bei der Aufstockung des EG-Haushalts. Auch die europäische Umweltschutzpolitik wird unter britischer Ägide darben — sie rangiert auf der Londoner Aufgabenliste an letzter Stelle. Gar nicht auf der Liste erwähnt ist das Thema „Sozialpolitik“ — aus diesem Bereich europäischer Integration ist London bereits vor einem halben Jahr ausgeschert.

Das Nein der DänInnen zu den Maastrichter Verträgen hat die „Euroskeptiker“ auf der Insel gestärkt. Erst im Herbst, nachdem auch die FranzösInnen ihr Referendum absolviert haben und wenn klar ist, wie die EG weiter mit Dänemark verfährt, soll das britische Unterhaus über die Maastrichter Verträge entscheiden, hat Major erklärt. Bis dahin ist sein europapolitischer Handlungsspielraum begrenzt. Für den Fall, daß Dänemark bei seinem Nein bleibt, gibt es bislang überhaupt keine Szenarios. Für Major, der wie viele andere europäische Regierungschefs sein politisches Schicksal mit den Maastrichter Verträgen verknüpft hat, dürfte es dann schwer werden. Dorothea Hahn

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