Regime der Gemäßigten

■ Polen wird eine neue Ministerpräsidentin haben: Hanna Suchocka. Die "Demokratische Union" hat alle Chancen, Polens erste große Volkspartei zu werden.

Regime der Gemäßigten Polen wird eine neue Ministerpräsidentin haben: Hanna Suchocka. Die „Demokratische Union“ hat alle Chancen, Polens erste große Volkspartei zu werden.

Polens Dauerkrise ist offenbar zu Ende. Alle Parteien, die der Solidarność-Bewegung entstammen, haben sich zusammengerauft und wollen nun eine gemeinsame Regierung bilden, die noch dazu eine bequeme Mehrheit im Parlament haben wird. Es kann regiert werden, die Rollen sind klar verteilt: Die Extreme bleiben in der Opposition, die Gemäßigten regieren.

Polens Präsident Lech Walesa dagegen muß nun etwas zurückstecken. Er hatte selbst dann noch auf Waldemar Pawlak gesetzt, als dieser nicht die geringsten Aussichten mehr hatte, eine mehrheitsfähige Regierung zustande zu bringen. Walesa wäre eine schwächere Regierung natürlich lieber gewesen. Seit Polens Ex-Premier Mazowiecki 1989 versuchte, den Danziger Elektriker auf ein politisches Nebengleis abzuschieben, ist Walesa bemüht, sich so viel wie möglich Einfluß auf die Regierung zu sichern. Praktische Einflußmöglichkeiten gibt ihm die Verfassung kaum. Also bleibt ihm nur, sich solche Kandidaten als Ministerpräsidenten auszusuchen, die ihm gegenüber mehr oder weniger loyal sind. Hanna Suchocka, die voraussichtlich neue Premierministerin wird, hat bereits erklärt, sie könne sich nicht vorstellen, ohne Zusammenarbeit mit Walesa zu regieren, doch Walesa ist klar, daß er es mit ihr nicht allzu leicht haben wird — immerhin hat sie eine recht stabile Mehrheit von acht Parteien hinter sich.

Walesa ist auch längst nicht der größte Verlierer dieser schnellen Einigung. Da sind vor allem die Ex-Kommunisten, von deren Stimmen Pawlak abhängig gewesen wäre, wäre seine Regierung doch noch zustandegekommen. Der Weg aus der politischen Isolation bleibt ihnen nun weiter versperrt. Auch die linke Führung der Demokratischen Union, die bisher das Profil der Partei bestimmte, wurde mit der Nominierung Suchockas ins zweite Glied zurückverwiesen. Sollten Jacek Kuron und Bronislaw Geremek geglaubt haben, ohne ihren ungeliebten rechten Flügel auskommen zu können, so wurden sie nun eines Besseren belehrt. Mit der eher konservativ-liberalen Gallionsfigur Suchocka als Premier sind die Gewichte wieder ausgeglichen. Bringt die angehende Premierministerin ihre Partei geschlossen hinter sich, hat die Demokratische Union alle Chancen, Polens erste große Volkspartei zu werden. Stärkste Partei war sie ja schon bei den letzten Wahlen. Klaus Bachmann