Medienmacht, Medienarmut: Die neue Zensur des Geldes

taz und 'Index on Censorship‘ diskutierten „Zensur in der neuen Weltunordnung“/ Im Norden bringt die Macht des Geldes zensierende Medienmacht hervor, im Süden herrscht Zensur durch Mangel/ Loblied auf das Telefaxgerät  ■ Aus Berlin Ute Scheub

Die neue Weltunordnung nach dem Zusammenbruch des Ostblocks hat neue Formen der Zensur hervorgebracht. Darin waren sich Andrew Graham-Yooll, Chefredakteur der 1968 gegründeten englischen Zeitschrift 'Index on Censorship‘, und die anwesenden SchriftstellerInnen aus Sierra Leone, Zimbabwe, Nigeria, Rumänien und Ungarn aus eigenen leidgeprüften Erfahrungen einig. Die taz, für die Uta Ruge seit Mai 1988 einmal im Monat 'Index‘-Texte übersetzt und zusammenstellt, hatte sie und das interessierte Publikum am Samstag abend zur Diskussion in ihre Kantine geladen.

Während draußen der Regen prasselte — der erste heißersehnte seit zwei Monaten —, ging es auch drinnen um erlösende Naßeffekte. „Thank God that Maxwell became a floating issue himself“, befand jedenfalls der 'Index‘-Chefredakteur, auf den Tod des über Bord seiner eigenen Luxusjacht gegangenen Pressezaren anspielend. Die Monopolisierung der Medien durch die Maxwells, Murdocks und Springers sei zwar im Westen nichts Neues, fördere jedoch neue Spielarten von Zensur und Selbstzensur bei deren Untergebenen. Auch im Ex-Ostblock, so Uta Ruge, lebe die alte Zensur in anderen Formen weiter, die nationalistische Medienpropaganda in Jugoslawien sei ein herausragendes Beispiel.

Die rumänische Schriftstellerin Carmen Francesca Banciv nannte eindrückliche Beispiele für diese These. Früher, erzählte sie, „brauchten wir eine Genehmigung für den Besitz einer Schreibmaschine und mußten auch noch ein damit geschriebenes Blatt bei der Polizei hinterlegen, damit mögliche illegale Texte sofort identifiziert werden können.“ Heute aber arbeite die Zensur mit dem Mittel des Geldes: Für kritische Zeitschriften bekomme ein Zeitungshändler vom staatlichen Vertriebsnetz mehr Geld, wenn er sie nicht verkaufe. Ihre nach der Revolution gegründete Kulturzeitschrift 'Robinson‘ hätten sie einstellen müssen, weil sie Fotos schießender Polizisten veröffentlicht und dann keine Druckerei mehr bekommen hätten. Die Schmiergelder, die sie den Druckern dann hätten zahlen müssen, ruinierten sie. Der ungarische Schriftsteller György Dalos berichtete ähnliches: Wenn eine Zeitschrift zu viele ausländische Autoren veröffentliche, streiche ihr das Kulturministerium die Subventionen.

Wird nun die „Zensur des Geldes“ (Andrew Graham-Yooll) die vorherrschende Form der Zensur in Ost und West, Nord und Süd? Der Schriftsteller Syl Cheney-Coker aus Sierra Leone und der nigerianische Afrika-Experte von 'Index on Censorship‘, Adewale Maya- Pearce, beklagten das Desinformationsmonopol des Senders CNN während des Golfkriegs. Während die Macht des Geldes im Norden zensierende Medienmacht hervorbringe, führe der Mangel an Geld im Süden und Osten zu einem Mangel an Technologien und damit ebenfalls in die Zensur.

Doch ganz so pessimistisch wollte György Dalos die Lage nicht sehen und stimmte das Hohelied gewisser genial einfacher Apparate an. Die Demokratiebewegung in Afrika brauche das, was auch in Rußland mit zur Revolution geführt habe: Telefaxgeräte. „Ein Fax druckt nicht nur, sondern organisiert auch. Es ist wohl kein Zufall, daß die erste inoffzielle russische Nachrichtenagentur ausgerechnet Interfax heißt.“