Schlechte Zeiten für Stage-Diver

■ Umjubelt: „Fugazi“ im Schlachthof

Freitag, 21 Uhr, Schlachthof: die Washingtoner Punk-Legende Fugazi ist noch nicht auf der Bühne, da sind schon alle tausend Eintrittskarten verkauft; Zuspätgekommene werden ordnungsgemäß vom Leben bestraft. Von Hamburg bis Münster, von Emden bis Braunschweig waren die Leute angereist - und mußten doch in vielen Fällen draußen bleiben.

Den schwitzenden Massen drinnen bescherte die Dramaturgie des Abends zunächst eine baßspielende Dame und einen gitarrenbewehrten Herrn aus Augsburg, die sich unter dem Namen Tech Ahead mit ihrem Drum- Computer maßen. Punk-Schlager ist das rechte Wort für ihren Vortrag; durchsetzt war er von ellenlangen Erklärungen zur politischen Lage. Danach sorgte Alloy zwar für etwas Abwechslung, doch ihr melodisches Konzept mit den Rhythmus-Breaks war trotz ihres bemühten Frontmannes Vic Bondi sehr schlicht. Die unscheinbare Kombo litt darüberhinaus unter der Abmischung, aber das kennen wir mittlerweile im Schlachthof.

Als dann um Mitternacht endlich die Headliner Fugazi mit komplexen Arrangements und einem gekonnt kompakten Zusammenspiel gute Laune verbreiteten, war schon wieder ein Haar in der Suppe. Das Publikum war begeistert von der spannenden Mixtur aus kreischenden Gitarren, ruhigen Passagen und dichten Soundwällen, nur die Band hatte so recht keine Lust. Den Musikern ging das Star-Gejubel und das Getobe vor der Bühne sichtlich am Hintern vorbei. Etwaige stage-diver zerrten sie am T-Shirt wieder von der Rampe zurück, über mangelnde Englisch-Kenntnisse im Publikum mokierten sie sich und holten dann zum Klopfer des Abends aus: Während „Ingestion“, einem Song über u.a. Vergewaltigung, forderten sie die Frauen in den Rängen auf, auf die Bühne zu kommen und über solche Erfahrungen zu berichten. Sowas um ein Uhr morgens vor tausend Leuten, das ist schon saudumm. Cool J.F.