„Da lag der schwarze Bürger am Boden“

Vor dem Bezirksgericht Frankfurt/Oder wird gegen fünf Skins verhandelt, die im November 1990 einen Angolaner überfallen und tödlich verletzt hatten/ Drei Polizisten griffen nicht ein  ■ Aus Eberswalde Bascha Mika

Da rennt ein Mensch im Zickzack über die Straße. Ein anderer mit erhobenem Baseballschläger hinter ihm her. 30 bis 40 Jugendliche folgen grölend, kreisen die beiden ein. Minuten später gehen sie wieder auseinander. Auf dem Boden bleibt einer liegen, der ist schon so gut wie tot. So schildern zwei Polizeibeamte das Verbrechen, bei dem zum ersten Mal in den fünf neuen Ländern ein Ausländer derart verprügelt wurde, daß er kurze Zeit später starb: Amadeu Antonio, Angolaner, seit 1987 in der DDR, überfallen in der Nacht zum 25.11.90 in Eberswalde, gestorben am 6.12.90.

Die Beamten haben die Tat aus nächster Nähe beobachtet — aber nichts unternommen. Gestern wurden sie vor dem 5.Strafsenat des Bezirksgerichts Frankfurt/Oder als Zeugen vernommen. Fünf Heranwachsende und ein Jugendlicher aus der Skinhead- und Heavy-Metal- Szene sind angeklagt. Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall und Diebstahl wird ihnen zur Last gelegt. Auf der Anklagebank in Eberswalde sitzen aber nur fünf junge Männer. Kay-Nando B. ist am schwersten belastet — und flüchtig.

Er hätte, sagte Polizeioberkommissar Berkhan, mit zwei Kollegen den Auftrag gehabt, in der Nacht vom 24. auf den 25. 11. 90 die rechtsradikale Szene in Eberswalde zu beobachten. In zivil. Gegen Mitternacht wäre ihnen eine Gruppe Jugendlicher begegnet. Seiner Einschätzung nach Skins. Die Beamten hätten sich in der Pförtnerloge der Chemiefabrik von Eberswalde postiert. Von dort hätten sie den „schwarzen Bürger“ und seinen Verfolger mit der Baseballkeule beobachtet. Berkhan: „Dann habe ich einen Auflauf von Menschen gesehen, die sich bewegten und mit den Füßen trampelten. Als sie sich auflösten, lag der schwarze Bürger auf dem Boden.“ Es sei alles sehr schnell passiert.

Zu dritt wären die Beamten zu dem Verletzten hinübergegangen; er lag auf dem Rücken und blutete stark. Einer der sich zerstreuenden Jugendlichen hätte den Verletzten noch mit dem Fuß angestoßen. „Männer, laßt ihn doch in Ruhe. Der ist doch schon fertig“, soll Berkhan laut seiner Aussage vom November 1990 daraufhin gesagt haben. Gestern konnte er sich nicht mehr daran erinnern.

Er und sein Kollege identifizierten einen der Angeklagten im Gerichtssaal, den 20jährigen Sven B. als den, der getreten hätte.

Gericht und Staatsanwaltschaft wollten wissen, warum die Beamten nicht eingegriffen hatten. Berkhan war bewaffnet. „Hätten Sie nicht voraussehen müssen“, fragte Staatsanwalt Möller den Zeugen, „daß der schwarze Bürger in einer lebensbedrohlichen Situation war?“ Von diesem Moment an verweigerte Polizeioberkommissar Berkhan die Aussage. Früher hatte er zu Protokoll gegeben: „Wir waren zuwenig, drei Mann gegen so viele, da hätten wir nicht eingegriffen.“ Ob er sich in der Situation überhaupt als Polizist zu erkennen gegeben hatte, war eine der Fragen, die gestern weder gestellt noch beantwortet wurden. Der Staatsanwalt erwägt ein Verfahren gegen die drei Beamten wegen Strafvereitelung im Amt, sagte er in einer Verfahrenspause.

Sven B. hatte zuvor zugegeben, in der fraglichen Nacht einen anderen Schwarzen mit dem Messer angegriffen zu haben, „weil der so schmutzig grinste“. Aber auf Amadeu Antonio habe er nicht eingeprügelt. Er wäre mit anderen Jugendlichen die Straße hinuntergekommen, erzählte er dem Gericht mit monotoner Stimme, und „sah nur einen Neger daliegen“.

Als „rechtsextremer Jugendlicher“ bezeichnete sich der Angeklagte. Untersetzt, in Jeansjacke und Turnschuhen sitzt er im Gerichtssaal. Er sei weder „hitler- noch nazi-, sondern kaiserfreundlich“, behauptete Sven B. Er gab aber zu, daß seine Haare — die zur Zeit fast so lang sind, daß er einen Scheitel ziehen kann — zum Tatzeitpunkt kurz geschoren waren und daß er auf der Hand das Zeichen der SS eintätowiert hat. „Würden Sie sagen“, fragte ihn der Vorsitzende Richter Kamp, „daß Deutschland den Deutschen gehören soll?“ „Ja“, antwortete Sven B. knapp.

Der Prozeß wird fortgesetzt.