Der Kreml als Palazzo-Vorbild

■ Diskussion über die Zukunft des asbestverseuchten Palastes der Republik/ Der Leerstand kostet viel Geld/ Nur DHM-Chef Stölzl für Stadtschloß

Mitte. Multifunktional und multikulturell soll er werden, der Palazzo Prozzo, dessen Schicksal am Dienstag abend vom Werkbund Berlin zur Diskussion gestellt wurde. Der ehemalige Palast des Volkes, seit zwei Jahren asbestverseucht und leerstehend, soll — da war sich die Mehrheit auf dem Podium im Zeughaus einig — stehen bleiben. Der Berliner Senat, so Staatssekretär Wolfgang Branoner (CDU) von der Stadtentwicklungsverwaltung, wolle das Gebäude sogar so bald wie möglich wieder nutzen. Denn der teure Leerstand — Experten sprechen von 40.000 Mark, wenn nicht sogar 100.000 Mark Kosten im Monat — sei nicht länger zu vertreten. Branoner stellt sich künftig im Palast ein Kongreßzentrum mit Kultur vor, »ähnlich wie der Kreml«. Dazu gehöre auch die Nutzung des Palastes als Gedenkbibliothek, wie es vom Kultursenator Ulrich Roloff-Momin vorgeschlagen wurde. Weiter soll es einen angrenzenden Neubau auf dem historischen Grundriß des Schlosses geben. Im Herbst werde man darüber entscheiden.

Ein Gutachten, das der Stadtplaner Hildebrand Machleidt im Auftrag von Branoners Verwaltung verfertigte, kommt ebenfalls zu dem Schluß, den Palast zu erhalten. Die alte Stadtstruktur von Alt-Berlin, Alt-Cölln und Friedrichswerder solle baulich wieder hergestellt werden, ohne daß 40 Jahre DDR-Geschichte aus dem Stadtbild getilgt werden, so Machleidt. Abreißen dürfe man nur, wenn außergewöhnliche Gründe dafür sprächen. Auch die Hochhäuser sollten erhalten bleiben, künftige Neubauten müßten allerdings die Berliner Traufhöhe einhalten. Eine Verschmelzung ganzer Blöcke zu Großprojekten — wie es die Bundesregierung plane — dürfe man nicht zulassen. »Wir können uns ruhig zehn Jahre Zeit mit der Diskussion lassen, das Lenindenkmal wurde auch viel zu schnell abgerissen«, sagte Machleidt.

Roloff-Momin beschränkte sich darauf, den bekannten Vorschlag, die Gedenkbibliothek und die Stadtbibliothek im Palast zu vereinigen, auszuführen, für den sich inzwischen auch die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ausgesprochen hat. In beide Büchereien kämen täglich je 6.000 Menschen, so daß aus dem Palast ein öffentlicher Ort würde. Auch Roloff-Momin will neben einer Büchereinutzung ein Kongreßzentrum, Gastronomie, Galerien und Läden zulassen.

Entschieden gegen diese Ideen trat der Direktor des Deutschen Historischen Museums in Gründung, Christoph Stölzl, auf. Eine Prachtstraße, wie sie Unter den Linden darstelle, habe einen gewissen Standard, den das »drittklassige Großgebäude« des Palastes nicht erreiche. Statt dessen solle man das — von der SED abgerissene — Stadtschloß wieder aufbauen, ein Schloß sei auch multifunktional. Berlin brauche repräsentative Räume, und wenn man ein repräsentatives Äußeres auf dem Platz hergestellt habe, werde sich auch eine geeignete Nutzung finden. Der Frage, ob er selbst ein neu aufzubauendes Stadtschloß als Domizil seines Museums wünsche, wich Stölzl aus. Er glaube nicht daran, daß in Berlin schnell etwas gebaut werde, egal, was es sei. esch