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Gendarmenromantik

■ Die netten Bullen..., Mo., N3, 23.15 Uhr

Die Eltern von Bert Schmidt und Konrad Golbeck sind vor Jahrzehnten nach Kanada ausgewandert und haben sich dort an den Füßen der Rocky Mountains niedergelassen. Wenn sie gewußt hätten, was sie ihren Söhnen damit antun, hätten sie es vielleicht bleiben lassen. Denn Bert und Konrad arbeiten heute in Armstrong, einem Nest im kanadischen Westen, bei der legendären „Royal Canadian Mounted Police“, der eine als Streifen-, der andere als Kriminalpolizist. In dieser Eigenschaft sind sie von dem Kölner Videofilmer Claus Bienfait fürs deutsche Fernsehen entdeckt worden.

Bert und Konrad reiten natürlich nicht auf Pferden durch die Rockies, tragen auch nicht mehr die roten Uniformjacken und die breitkrempigen Hüte, unter denen die „Mounties“ berühmt wurden.

Bert und Konrad sind schlicht zwei „nette Bullen“. Jeder halbwegs engagierte Dokumentarfilmer würde das als Herausforderung betrachten: den Horizont dieser zweiten Generation deutscher Auswanderer abzumessen, in Bildergeschichten auszuloten, wie die beiden jungen Polizisten in einer traditionellen Truppe zurechtkommen, ein kleines Stück nordamerikanischen Alltag konkret zu machen. Doch Bienfait war das offenbar zu langweilig. Den Kopf voller Klischees, halb Trapper-, halb Gendarmenromantik, ging er mit seiner Kamera wie ein Bulldozer über die Wirklichkeit der Mounties hinweg.

Schon der Anfang des Stücks entlarvt dessen Intention: Zur Musik des Italo-Westerns Spiel mir das Lied vom Tod fährt Bert mit seinem Streifenwagen in die rötliche Morgendämmerung. Ende des Spannungsbogens. Denn von nun an folgt der Rest des Films dem immergleichen Muster: Konrad und Bert werden in beliebigen, meist nachgestellten Alltagssituationen gezeigt. Aber schon nach kurzer Zeit wenden sie sich der Kamera zu, um in kaum verständlichem Deutsch zu erklären, was sie gerade tun. Auch wenn dies zuvor schon der unaufhörlich schwätzende Off-Sprecher getan hat. Bienfait besetzt manche Rollen derart laienhaft, wie etwa im Fall eines angetrunkenen Diebes, der wohl von einem Mitglied des Drehteams gespielt wurde, daß er vieles allein deshalb zweimal behaupten muß, damit der Betrug nicht allzu offensichtlich wird.

Nahezu alles an diesem Film ist sichtbar inszeniert: die mühsam einstudierten Texte der Mounties, ihre Dienstgänge, ihr Privatleben. Dabei fuchtelt Bienfait mit der Kamera herum, als hätte er einen Krimi und keinen Dokumentarfilm drehen wollen. In Reality-TV-Zeiten bezeichnen manche so etwas als Dokudrama. Aber dann läßt es sich eben auf vier Minuten zusammenschneiden und an die RTL plus-Polizeiasse verhökern. Da wäre denn auch Bienfaits bullshit bestens aufgehoben. Achim Baum

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