Mit Hakenkreuz im Gerichtssaal

Im Prozeß gegen fünf junge Männer wegen der Tötung des Angolaners Amadeu Antonio erscheint ein Zeuge mit Hakenkreuzemblem im Gerichtssaal/ Die Ereignisse werden immer unklarer  ■ Aus Eberswalde Bascha Mika

Richter Kamp zielte: Eine schwarz- orangefarbene Bomberjacke flog durch den Gerichtssaal in Eberswalde. Staatsanwalt Möller fing sie auf, stellte sie sicher. Die Jacke gehört Dirk S. — einem Zeugen, der sich gestern dem Gericht mit diesem Kleidungsstück samt aufgenähtem Hakenkreuzemblem präsentiert hatte. Vernommen wurde er vor dem 5. Strafsenat des Bezirksgerichts Frankfurt/Oder. Angeklagt sind fünf junge Männer aus der Skin- und Heavy-Metal-Szene von Eberswalde und Umgebung. Im November 1990 sollen sie den Angolaner Amadeu Antonio so zusammengeschlagen haben, daß der 28jährige starb. Körperverletzung mit Todesfolge und gefährliche Körperverletzung wird ihnen vorgeworfen.

„Sie müssen von allen guten Geistern verlassen sein, vor Gericht so aufzutauchen“, fuhr der Richter den kurzgeschorenen Blonden in Kampfhosen und Springerstiefeln an. Er klärte den Zeugen auf, daß er sich durch das Hakenkruez nach Paragraph 86 StGB strafbar gemacht hat. „Fascho“ wäre er, sagte Dirk S. — und dann nicht mehr viel. Zwar hatte er zu den 30 bis 40 Jugendlichen gehört, die in der Novembernacht „Neger aufklatschen“ wollten. Nur erinnern konnte er sich gestern nicht. Kamp behandelte ihn wie schon andere Zeugen während der Verhandlung: Er schickte ihn unter Polizeibewachung zum Strafsitzen und Nachdenken in ein kleines Kabuff. Nach der Denkpause wußte der Zeuge zumindest, daß er den — flüchtigen — Hauptangeklagten Kay-Nando B. am fraglichen Abend mit einem Baseballschläger gesehen hatte.

Das Verhalten von Dirk S. ist typisch für diesen Prozeß. Die Zeugen aus der Szene mauern, verwickeln sich in Widersprüche, versuchen „ihre Kumpel“ und „Kameraden“ zu schützen. Nach vier Verhandlungstagen ist immer noch nicht klar, was sich in der Nacht zum 25.11.90 abgespielt hat. Zwischen den Skins und Metals, die als Zeugen aussagen mußten, waren zwar durchaus gegenseitige Vorbehalte spürbar. Aber vor Gericht waren sie sich in ihrer Verweigerung einig.

Ausnahme: Karin H., Freundin des Hauptangeklagten. Sie schilderte die Vorgänge detailliert, aber stark abweichend von anderen Zeugen. Die Skins Kay-Nando B. und sein Bruder Sven — er ist ebenfalls angeklagt — hätten zwar zwei andere Schwarze mit Baseballschläger und Messer angegriffen, auf Antonio aber nicht eingeschlagen. Nur die Metals hätte sie bei dem Angolaner gesehen. Sie wehrte sich beredt gegen die Verteidiger, die ihrer Darstellung nicht glauben wollten. Durch ihre Schilderung sind die Vorgänge, die Amadeu Antonio das Leben kosteten, noch weniger klar als vorher.

Der Prozeß wird fortgesetzt.