: Schöner leben: Pop-eyes
■ Die neue Sicht: blickdicht!
Gehören Sie zu denen, die die Dinge sehen, wie sie sind, also scharf? Bilden Sie sich bloß nichts ein! Schließlich rennen Sie sehenden Auges ins Verderben, während unsereins verschwommen stürzt und unterwegs vom Brillenbügel aufgefangen wird. Von anderen Vorteilen ganz zu schweigen: etwa von der Nummernrevue beim Augenarzt. So viele Zahlen möchten erkannt werden von uns — aber wir sind nicht blöde und sagen zwei statt sieben, macht zusammen neun. Und niemand kann uns was nachweisen!
Kurzum: Fehlsicht war der Mangel der Zukunft! War! Aber jetzt. Jetzt gibt es die neue Brille. Was heißt Brille: Zaumzeuch! Eingepferchte Augen hinter einem Brett vor'm Kopf mit zwei halben Gläslein und doppeltem Designerkürzel auf den Bügelzügeln. Wer kennt noch Eugen O., seit er sich hinter seiner Brille mit Nieten und Nägeln auf diagonaler Schraubleiste verschanzt? Wer vermutet im plötzlich schwarzgeschlitzten Dunkelmann seinen alten Vater? Und wer hat zuletzt Heike M. aus W. gesehen? Die Hausfrau gilt als verschollen, seit sie ein Brillenfachgeschäft betrat. Blind schleicht Einsamkeit durch die Städte: Beste Freunde sehen über sich hinweg, Ehepaare verlieren sich aus den Augen, und Kollege B. lächelt tapfer abgepackt hinter seiner Achtkant-Alubrille — allein, wir lächeln nicht zurück. Schließlich sehen wir auch mit der Zeit und von ihm nur ein kleines Stück. Claudia Kohlhase
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
