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Nicht nur das Elend

■ Ausstellung: Fotos und Gedichte aus der deutschen Junkieszene in Amsterdam

Diese Fotos sind anders, aber ganz ohne schönzumalen. Anders als die üblichen tristen Dokumente aus Junkieleben: Spritze im Arm, Klo dreckstarrend, Matratzenlager in Hinterhöfen. Auf den Fotos gibt es Menschengesichter mit Nachdenklichkeit und Witz,Familien-Szenen und trotziges Posieren in erbärmlichen Umgebungen. Torsten Schmidt hat zwei Jahre lang in der deutschen Junkie-Szene Amsterdams fotografiert und einen kleinen Teil dieser Arbeit jetzt als Buch herausgebracht; eine Reihe Fotografien sind bis 6.8. im Schlachthof ausgestellt.

Das Buch begleitet einige Menschen durch verschiedene Höhen- und Tiefenlagen, besonders Moni und Manus, die es nach den Stationen Straßenstrich und Abbruch-Haus auf den beiden letzten Seiten, wie es scheint, geschafft haben: vielleicht ein happy-end. Die Drogen-Szene hatte zum Sozialarbeiter Schmidt, dem mit der Kamera, Vertrauen und ließ ihn sehr nah ran. Ja: Es gibt auf den Bildern auch Nadeln in Arme, in weibliche Brüste gebohrt auf der Suche nach Venen. Aber es gibt vor allem Gesichter, neugierig, traurig und wissend, es gibt Küsse, Haarewaschen am öffentlichen Brunnen, Aufpeppen für den Dienst am Freier, es gibt eine Junkie-Briefschreiberin, die über dem Papier eingeschlafen ist wie ein Schulmädchen.

Manni Bröder, lange selbst Drogenkonsument gewesen, hat seine lakonischen, sarkatischen Gedichte beigesteuert. Zum Beispiel: „5 Uhr morgens im Puff: Kanake / sagte sie verächtlich / und duschte / sich heut' / besonders gründlich“. Oder: „Frankfurter Nächte: Einfach / auf den Bettvorleger, / auf das verhaßte / Rosenmuster pinkeln / (vom Bett aus). / Und dann, morgens, / steif und fest / behaupten / der Hund / sei das gewesen.“

Vorweg: Sieben spannende Seiten Widmungen an die Menschen, die Torsten Schmidt als Junkies knipste: „Für Sabine Glucke, die ihre Freundin Ursula auf den Strich schickte, weil sie selbst Migräne davon bekommt. Für Aaron, in dessen Windeln die Polizei Heroin vermutete, aber nur Scheiße fand“. Manche Menschen glaubt man, auf den Bildern wie Bekannte wiederzuerkennen. S.P.

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