Was schaut sich einE TouristIn in dieser Stadt an?

U R L A U B I N B E R L I N Was schaut sich einE TouristIn

in dieser Stadt an?

Annelore Müller, 50, aus Nagold, Schwarzwald:

Ich bin überrascht, wie schnell sich Berlin verändert. Schön finde ich die Buslinie 100, vom Zoo zum Alexanderplatz. Das verbindet die Stadthälften. Wir sind einen Weg mit dem Bus gefahren und laufen jetzt zurück. Ich freue mich darauf, zum ersten Mal durch das Brandenburger Tor gehen zu können. Das ist eine Attraktion. Von der Mauer sieht man schon gar nichts mehr, und das ist gut so. Die Mauer war unmenschlich. Aber teurer ist Berlin geworden. Für mich ist das nicht so schlimm, ich mußte früher ja auch im Westen übernachten, aber für die Leute im Osten stelle ich mir die Umstellung sehr schwer vor.

Ich bin nach Berlin gekommen, um mir ein Visa für die Tschechoslowakei zu besorgen. Bisher war ich am Brandenburger Tor, am Checkpoint Charlie und auf dem Ku'damm (...und in der Botschaft der Tschechoslowakei, sagt sein Begleiter). Eigentlich wollte ich auf meiner Tour nicht in so viele Großstädte, aber inzwischen finde ich Berlin interessant. Man bekommt eine Ahnung davon, wie sich Osteuropa zum Kapitalismus wendet. Ich bin sehr reserviert eingestellt, wenn ich sehe, wie schnell das geht. Auch wenn mir das Tempo nicht paßt, das läßt sich in Berlin gut beobachten.

Eigentlich sind wir aus Kalifornien, aber wir haben ein Jahr in Barcelona studiert. Da lag Berlin fast auf dem Weg. Natürlich waren wir beim Checkpoint Charlie. Da haben wir einen beeindruckenden Film über die Flucht von Ost nach West gesehen. Uns interessiert Geschichte, und auf die stoßen wir hier überall. Manchmal sind wir uns gar nicht sicher, ob wir im Osten oder im Westen sind. Ohne die Mauer läßt sich das schwer auseinander halten. Hin und wieder merken wir es an den verfallenen Gebäuden im Ostteil. Aber für Berliner muß es schön sein, daß sie wieder zusammenkommen können. Daß es Schwierigkeiten gibt, wissen wir. Umfrage: Ralf Knüfer

Fotos: Wolfgang Borrs