WO KEINE FRAUEN SIND, GIBT ES KEINE DISKRIMINIERUNG Von Ralf Sotscheck

Ryan's in der Parkgate Street ist eine der schönsten Kneipen Dublins. Jedenfalls für Männer. Frauen haben inzwischen zwar auch Zutritt, doch bis vor wenigen Jahren wurden sie in die „snugs“ verbannt, die in Heinrich Bölls Irischem Tagebuch „Einzelsäuferkojen“ heißen. Betrat eine Frau die Kneipe, zog der Wirt an einem Seil hinter der Theke und die klinkenlose Tür zur Koje öffnete sich wie von Geisterhand. Da die „snugs“ ein eigenes Fenster zur Theke hatten, konnten sich die Frauen dort zuballern, ohne die Männer bei derselben Beschäftigung zu stören. Allenfalls Pfaffen durften noch in die Säuferzellen.

Ryan's war beileibe kein Einzelfall. Andere Pubs verbannen noch heute Frauen in die „Lounge“, die im Gegensatz zur Bar zwar Polstersitze hat, doch dafür sind die Getränke teurer. In mancher Kneipe wird Frauen noch heute kein großes Bier ausgeschenkt. Zwanzig kleine Biere sind kein Problem — das ist die typisch irische Lösung: Hauptsache die Theorie stimmt. Zugegeben: An der Theke setzt sich langsam die Gleichberechtigung durch, doch in anderen Bereichen ist es noch lange nicht soweit. Um das zu beschleunigen, hat die irische Regierung ein Frauenministerium geschaffen — und es mit einem Mann besetzt. Nebenbei ist Minister Tom Kitt auch noch für Kunst und Kultur sowie Europa zuständig.

Er nahm sogleich den Kampf gegen verschiedene Golfclubs auf, deren Türen für Frauen verschlossen sind. Eine Kampagne kostet allerdings Geld, das bei Kitts Partei Fianna Fáil (Soldaten des Schicksals) angeblich knapp ist. So veranstaltete man ein Golfturnier unter Parteigenossen. Und das fand im Royal Dublin Club statt, den in seiner langen Geschichte Frauen noch nie betreten durften. Der Minister wußte das nicht: „Ich bin kein besonders guter Golfspieler.“

Kitt hat ein schlechtes Gedächtnis. Im vergangenen Jahr — als er noch einfacher Abgeordneter war — gehörte er einem parlamentarischen Ausschuß zu Frauenrechten an. Dieser Ausschuß sandte Fragebögen an 207 Golfclubs im ganzen Land. Der Royal Dublin Club wies die Frage nach Diskriminierung von Frauen damals weit von sich und hatte auch eine logische Begründung parat: „In unserem Club gibt es keine Diskriminierung, weil wir keine weiblichen Mitglieder haben.“ Eine geniale Lösung, die mann problemlos auch auf andere Bereiche übertragen kann.

„Women in Golf“ sind da ganz anderer Meinung. Sie wollen die Männer an ihrer empfindlichsten Stelle treffen und fordern den Entzug der Schanklizenz für Vereine, die Frauen den Beitritt verwehren. Viele Clubs existieren nur aus dem einzigen Grund, weil sie laut Gesetz von 1904 Alkohol auch nach der Sperrstunde ausschenken dürfen. So verfügen auch die sonderbarsten Interessengemeinschaften über ein Clubhaus mit Bar: Die Bridge-Spieler, die Hundezüchter, Gefängniswärter, die Angestellten der Elektrizitätswerke und gar die Elvis-Presley- Fans haben ihren eigenen „social club“.

Frauenminister Kitt setzt dagegen mit der Naivität des Politikers auf den zweiten Bericht des Ausschusses zu Frauenrechten, der laut Auskunft seiner Sekretärin „bereits im Druck“ sei und Ende des Monats erscheinen soll. Marguerite Martin von „Women in Golf“ hält das für völlig nutzlos: „Wir debattieren seit zehn Jahren. Es gibt nur ein Mittel, das hilft: Kitt muß den Jungs den Schnaps sperren.“