Milla in Südafrika

■ Gegen Kamerun bestritten Südafrikas Fußballer ihre ersten Länderspiele seit 28 Jahren

Johannesburg (taz) — Kamerun, die „unbezähmbaren Löwen“, schillernde Außenseiter im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1990 in Italien, nach den diesjährigen Afrikameisterschaften eine der vier besten Mannschaften des Kontinents: für die erste internationale Begegnung seit 28 Jahren hatte sich der südafrikanische Fußballverband eine schwere Aufgabe gestellt. Aber die junge, unerfahrene südafrikanische Elf bestand diesen Test überraschend mit fliegenden Fahnen. Nach drei Spielen in fünf Tagen endete die Machtprobe gegen die nicht sehr überzeugenden „Löwen“ unentschieden.

Es war eine typisch südafrikanische Mischung aus Politik, Chaos und Kommerz. Erst wurde der Besuch der Kameruner Ende Juni ganz abgesagt, aus Solidarität mit den 42 Opfen des Massakers in Boipatong, einer Siedlung für Schwarze südlich von Johannesburg. Immerhin überlegte der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) ernsthaft, wieder zum Sportboykott gegen Südafrika aufzurufen. Nelson Mandela mußte Kameruns Präsident Paul Biya höchstpersönlich davon überzeugen, daß die „Löwen“ noch willkommen seien.

Aber ein politischer Preis war zu zahlen: Die Kameruner Elf mußte sich nach Boipatong begeben, um dort ihre Sympathie zu demonstrieren. Und alle Sportler sollen nach Wunsch des ANC in den nächsten Wochen Armbinden mit der Aufschrift „Frieden und Demokratie“ tragen. Beim letzten Spiel am Samstag wurden die Armbinden durch eine 20-Sekunden-Schweigeminute „für die Opfer der Gewalt“ ersetzt. Erheblich mehr Zeit beanspruchte der halbstündige Synchrontanz mit Transparenten des Bierbrauersponsors, den die 60.000 Zuschauer über sich ergehen lassen mußten.

Mit „Frieden und Demokratie“ hatte das Geschehen auf dem Spielfeld dann aber wenig zu tun, auch wenn es sich hier um „Freundschaftsspiele“ handelte. Die „Löwen“ machten ihrem rabiaten Ruf alle Ehre und konnten sich trotzdem nicht gegen die Südafrikaner behaupten. Das erste Spiel in der Hafenstadt Durban gewann das Heimteam sogar mit 1:0, nachdem die Leute aus Kamerun allzu gelassen mit den Neulingen abzurechnen versuchten. In Kapstadt revanchierten sich die Kameruner. Zwei ihrer Spieler legten sich mit dem Schiedsrichter an und bekamen die rote Karte zu sehen. Aber selbst mit elf gegen neun fehlte den Südafrikanern das Durchsetzungsvermögen. Kamerun gewann 2:1.

Im entscheidenden Match in Johannesburg fanden die beiden Mannschaften dann ihr Gleichgewicht. Auf beiden Seiten Dummheiten und gekonnte Kombinationen — selbst im Ballzauber können die Südafrikaner es mit Kamerun aufnehmen. Aber auf seiten Kameruns spielte ein alter Bekannter eine entscheidende Rolle: Roger Milla. Nach der Weltmeisterschaft 1990 wurde er mit Angeboten überflutet. Er reizte sie so lange gegeneinander aus, bis am Ende kein Vertrag zustande kam. Nach Südafrika kam der 40jährige als Mitglied einer das Team begleitenden Handelsdelegation — und ließ es sich nicht nehmen, in allen drei Spielen zum ersten Mal seit 1990 wieder für die Nationalmannschaft anzutreten. Beide Kamerun-Tore wurden von Milla eingeleitet. Das Spiel endete 2:2.

Niemand hatte erwartet, daß die Südafrikaner so gut abschneiden würde. Vielleicht ist das der Grund, warum im „Soccer City“- Stadion bei Soweto von 80.000 Plätzen 20.000 frei blieben. Das überrascht um so mehr, als sonst jedes Ligaspiel der großen Soweto- Mannschaften das Stadion überfüllt. Zudem wurde das Spiel nicht im Fernsehen übertragen. Ein Streik schwarzer Arbeiter, Techniker und Journalisten beim staatlichen Fernsehen hat schon seit Wochen das Sportgeschehen des Landes vom Bildschirm verbannt.

Fußball ist der wohl am weitesten rassisch integrierte Sport des Landes. An der Tatsache, daß zwei Weiße im Nationalteam spielen, von denen der eine Kapitän ist, stört sich niemand, auch wenn die Fans zu 99 Prozent Schwarze sind. Sie werden sich ohnehin erst noch daran gewöhnen müssen, daß es überhaupt eine südafrikanische Nationalmannschaft gibt. Gelegenheiten dazu lassen nicht lange auf sich warten: Im August beginnt der Afrikapokal, im Oktober startet die Ausscheidungsrunde für die Weltmeisterschaft 1994. Hans Brandt