KOMMENTAR
: Grundgesetz — ungültig?

■ Zur Abschiebung eines vietnamesischen Asylbwerbers

Gilt in der Ausländerbehörde das Grundgesetz nicht mehr? Da wird ein vietnamesischer Asylbewerber einfach abgeschoben, obwohl im Gesetz eindeutig vermerkt ist, daß jeder Flüchtling das Recht hat, zumindest solange hierzubleiben, bis sein Asylantrag bearbeitet und abgelehnt worden ist. Chuyen T. H.s Antrag aber liegt bis heute fast unberührt in der Behörde. Mehrere von der taz befragte Anwälte erklärten, solch einen Fall in ihrer Praxis noch nicht erlebt zu haben.

Zugegeben: Der Fall des Vietnamesen hat sich dadurch kompliziert, daß sich bei ihm zwei parallellaufende Verfahren schnitten. Zuerst hatte er vergeblich eine Aufenthaltserlaubnis beantragt, an dessen Ende die — jetzt durchgeführte — zwangsweise Abschiebung drohte. Danach erst hatte er Asyl beantragt. Ob berechtigt oder unberechtigt kann und darf bei einer durch andere Umstände im Raume stehenden Abschiebung keinerlei Rolle spielen: Sie ist bei nicht abgelehnten Asylbewerbern schlicht illegal.

Die Innenbehörde redet sich nun damit heraus, daß der Vietnamese seiner Erscheinungspflicht bei der Ausländerbehörde nicht nachgekommen sei. Statt den — gestern! — bei seinen AnwältInnen eingegangenen Anhörungstermin abzuwarten, hätte er nach Abgabe seines Asylantrags von selbst dort vorstellig werden müssen. Die Anwaltskanzlei nennt das »Unsinn«, das entspreche »überhaupt nicht dem Usus«. Sie hätten sogar selbst das Amt angemahnt, endlich eine Vorladung auszusprechen.

Auch in einer anderen Frage scheint die Innenbehörde unter Dieter Heckelmann dem Motto zu folgen: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Ihre Pressesprecherin jedenfalls ist sich »hundertprozentig sicher, daß niemand abgeschoben wird, wenn unsere Polizisten das Wort Asyl hören«. Die AnwältInnen halten dem entgegen, daß sogar noch die Sachbearbeiterin der Asylstelle die Abschiebebeamten auf den Antrag aufmerksam gemacht habe. Müssen wir nun von Schlamperei oder von böser Absicht sprechen? Wahrscheinlich von beidem. Ute Scheub