Bundesrichter knacken Strommonopol

■ Die oberbayrischen Isar-Amperwerke haben einen Musterprozeß gegen die Stadt Rosenheim verloren

Rosenheim/Berlin (taz) — Die Isar- Amperwerke, Energieversorgungsunternehmen für Oberbayern außer München, haben einen Rechtsstreit gegen die Stadt Rosenheim in dritter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verloren. Dabei ging es um die Stromversorgungskonzessionen für vier Rosenheimer Ortsteile, die während der Gebietsreform in den 60er Jahre eingemeindet worden waren. Die Stadt Rosenheim plant, diese Ortsteile ab 1995 von einer eigenen kommunalen Gesellschaft versorgen zu lassen. Demgegenüber wollten die Isar-Amperwerke die lukrative Konzession auch über 1995 hinaus behalten.

Nach Einschätzung des Verbandes Kommunaler Unternehmen in Köln hat das Karlsruher Urteil erhebliche Bedeutung für die mehr als 230 Gemeinden, die wie Rosenheim ihre Stromversorgungskonzessionen künftig an eigene Unternehmen vergeben wollen — zum Nachteil der großen Stromversorgungskonzerne, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg die Versorgungsgebiete nach und nach aufgeteilt haben.

Nun stehe endgültig fest, daß alle Konzessionsverträge, die vor 1975 — in der Regel für mindstens 20 Jahre — mit einem der großen Energieversorgungsunternehmen abgeschlossen wurden, zum 31. Dezember 1994 gekündigt werden können. Alle später abgeschlossenen Verträge können ebenfalls nach 20 Jahren Laufzeit beendet werden.

Zwar gehen entsprechende Bestimmungen schon aus der vierten Novelle des Kartellgesetzes von 1980 hervor. Die Isar-Amperwerke glaubten jedoch, sich darauf berufen zu können, daß das Kartellrecht sich lediglich auf die Ausschließlichkeit der Konzession beziehe und sie weiterhin wenigstens die einfache Stromversorgungskonzession behalten könnten.

„Ein weiterer wesentlicher Punkt des BGH-Urteils betrifft die Frage der Kosten“, so der Pressesprecher des Verbandes Kommunaler Unternehmen. Die Kosten der Netzentflechtung, die bei der Kommunalisierung automatisch in Millionenhöhe entstehen, kann das Energieversorgungsunternehmen nicht auf die Kommune abwälzen. Die Wirtschaftlichkeit der kommunalen Stromversorger erhöht sich also erheblich. Nach Angaben des Pressesprechers des Verbandes Kommunaler Unternehmen haben diese bei der Übernahme lediglich den Zeitwert der Anlagen zu bezahlen.

Michael Weiss, Energieexperte der bayrischen Grünen, glaubt, daß mit der BGH-Entscheidung entscheidende Hindernisse für eine Kommunalisierung der Stromversorgung und für eine umweltverträglichere Energiewirtschaft aus dem Weg geräumt worden sind. Kommunale Versorgungskonzepte könnten nicht greifen, wenn in der Gebietsreform der 60er Jahre eingemeindete Ortsteile nicht von kommunalen Unternehmen, sondern weiterhin von regionalen Konzernen versorgt würden.

Der breite Einsatz von dezentralen Blockheizkraftwerken könne von den Energieversorgungsunternehmen nicht wie bisher mit Versorgungsverboten und zu geringer Bezahlung von ins Netz eingespeistem Strom verhindert werden. Michael Weiss: „Wenn jetzt noch Gemeinden einen neuen Konzessionsvertrag abschließen ohne vorher die Möglichkeit einer Eigenversorgung geprüft zu haben, so verschenken die Kommunen damit bares Geld.“

„Wir werden die Stromversorgung in den eingemeindeten Ortsteilen, die wir schon mit Gas und Wasser versorgen, ab 1995 übernehmen“, kündigte nach dem Urteil der Leiter der Stadtwerke Rosenheim, Müller, an.

In der Münchener Umgebung gibt es bereits mehrere Initiativen zur kommunalen Energieversorgung, so in den nördlichen Gemeinden Oberschleißheim, Unterschleißheim, Eching, Garching, Unterföhring (Nordallianz). Lothar Langer

BGH-Urteil Aktenzeichen KZR 2/91 vom 7. Juli 1992