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Streit um Goehler: Hochschule zum Abgewöhnen

■ Gegner der Kunsthochschulpräsidentin sehen in dem von ihr selbst beantragten Disziplinarverfahren ein Ablenkungsmanöver/Amtsvorgänger Vogel intervenierte in Wissenschaftsbehörde...

Die Schlammschlacht um Adrienne Goehler, Präsidentin der Hochschule für bildende Künste (HfbK), erreichte gestern ihren vorläufigen Höhepunkt. Die von den Hamburger Medien verbreitete Nachricht, daß das HfbK-interne Parlament die Ex-GALierin mit knapper Mehrheit zum Rücktritt aufgefordert und diese daraufhin am Montag ein Diszplinarverfahren gegen sich selber bei der Wissenschaftsbehörde beantragt hatte, bereitete den Boden für massive Attacken von seiten ihrer Gegner. Diese treiben bereits seit einem halben Jahr mit allen Mitteln den Sturz der 36jährigen voran. Adrienne Goehler hingegen mochte sich gestern nicht äußern.

Das Disziplinarverfahren sei ein reines Ablenkungsmanöver, so Franz Erhard Walther, HfbK-Professor und neben seinen Kollegen Martin Rögener, Hans-Joachim Lenger und Ex-HfbK-Chef Carl Vogel einer der schärfsten Goehler- Kritiker. Die drei sowie 25 weitere HfbK-Mitglieder hatten im April dieses Jahres in einem offenen Brief den Abtritt der Präsidentin verlangt. Adrienne Goehler wisse genau, daß dieses Verfahren kein greifbares Vergehen zu Tage fördere. Es gehe vielmehr darum, daß ihr „katastrophaler Amtsstil irreparable Schäden“ hinterlasse. Tatsächlich trüge eine behördliche Untersuchung nur zur Klärung von Dienstverletzungen bei, bestätigte gestern Behördensprecher Jenspeter Rosenfeldt.

Walter und Co, die jetzt so scharf gegen die Einschaltung der Behörde schießen, haben indes wiederholt vergeblich versucht, Wissenschaftssenator Leonhard Hajen für ihre Zwecke einzuspannen. Zuletzt intervenierte Goehlers Amtsvorgänger Carl Vogel bei dem SPD-Politiker. Mitgebracht hatte er ein noch nicht veröffentlichtes Dossier über die angeblichen Verfehlungen der ausgebildeten Psychologin, in dem die bislang sehr schwammigen Vorwürfe wie Inkompetenz oder Überheblichkeit an Beispielen belegt seien sollen. Doch Hajen kann und will nicht in die Hochschulautonomie eingreifen. Über innere Angelegenheiten muß die HfbK selber entscheiden.

Die Ursachen des Streits verbergen sich im undurchsichtigen Dschungel von verletzten Eitelkeiten, Verteilungskämpfen und Unzufriedenheit. Einer der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, sei die während der Amtszeit von Adrienne Goehler immer stärker gewordene Kritik sowohl von Seiten einiger Lehrender als auch derStudtentInnen an den verbeamteten ProfessorInnen gewesen, so ein Insider. Diese hätten es sich in ihrer Nische bequem gemacht. Das Engagement in der Studenten-Ausbildung habe sich bedenklich dem Nullpunkt genähert. „Der Filz in den einzelnen Fachbereichen ist enorm“, so ein Student.

Angeeckt ist Adrienne Goehler nicht nur wegen ihres Engagements in der Frauenfrage, was ihr bei den meisten weiblichen HfbK-Mitgliedern viel Anerkennung einbrachte, sondern auch wegen ihres angeblich unsensiblen Verhaltens. „Forsches Auftreten genügt nicht. Die erforderliche Solidarität/Gemeinschaft kann sich — oft so allein gelassen — nicht entwickeln“, so HfbK-Professor Michael Haller in einem Papier. Der Dozent, der die Rücktrittsforderung im April zunächst unterstützte, zeigt sich wie viele HfbKler inzwischen von der Art der Auseinandersetzung enttäuscht: „Hochschule zum Abgewöhnen“, so sein Resumee. Sigrun Nickel

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