»Leichtverderbliche Abschreibungsarchitektur«

■ Bundesregierung plant hinter dem Rücken der Öffentlichkeit, das denkmalgeschützte, 300 Jahre alte Zeughaus Unter den Linden mit einem Anbau und einer überdachten Passage zu erweitern/ Proteste von Architekten und Denkmalschützern

Mitte. Fragwürdigen Umgang mit einem Baudenkmal übt die Bundesregierung: Das historische, denkmalgeschützte Zeughaus Unter den Linden, derzeit Sitz des Deutschen Historischen Museums und Eigentum des Bundes, soll nach Norden erweitert werden. Hinter dem vor 300 Jahren vom Stadtbaumeister Andreas Schlüter errichteten Gebäude soll ein Anbau entstehen, der über ein Glasdach mit dem Zeughaus verbunden wird. Einige Werkstattgebäude werden dazu abgerissen, das sogenannte »Minol-Haus« hingegen in den Neubau integriert. Der Eingang des Zeughauses soll von Unter den Linden — gegenüber dem späteren Amtssitz des Bundespräsidenten — zur hinteren Nordseite verlegt werden, im Zeughaus wird eine Technik- und Erschließungszone geschaffen. Dies ist einem Gutachten zu entnehmen, das der Architekt Jochen Brandi im Auftrag der Bundesbaudirektion verfertigte.

Bei den Denkmalschützern der Stadtentwicklungsverwaltung und bei dem Fachblatt »Bauwelt«, dem das Gutachten anonym zugespielt wurde, stieß dieses Vorhaben auf heftige Kritik: Der Umgang mit dem großartigen Bauwerk von Schlüter lasse jeden Respekt vermissen, hieß es. Die Nordfassade werde dadurch zur Innenwand einer glasgedeckten Passage, der Anbau sei »leicht verderbliche Abschreibungsarchitektur«, aus der man genausogut ein »Billigkaufhaus basteln« könne. Zudem finde dieses Vorhaben unter Ausschluß der Öffentlichkeit und ohne ein Wettbewerbsverfahren statt.

Die Präsidentin der Bundesbaudirektion, Barbara Jakubeit, sagte, das Gutachten von Brandi sei keine beschlossene Sache, sondern nur eine Diskussionsgrundlage. Eine Expertenkommission aus Senatsvertretern, Denkmal- und Landschaftspflegern werde nächste Woche näheres entscheiden. Man wolle die Erweiterung jedoch auf alle Fälle, da das Deutsche Historische Museum Platz brauche und die Bundesregierung wünsche, daß das Museum vernünftig untergebracht werde, so Jakubeit. Das Zeughaus werde durch das »ganz leichte Glasdach« kaum tangiert. Die Bundesbaudirektion werde frühestens 1993 mit dem Bau beginnen, bis dahin könne noch ein Wettbewerb stattfinden. Den Vorwurf, man arbeite hinter verschlossenen Türen, wies die Präsidentin zurück. Man habe das Vorhaben erst einmal mit dem Senat diskutieren wollen, bevor man es öffentlich mache. Jakubeit räumte ein, daß beim Landeskonservator nach wie vor Bedenken bestünden.

Von der Stadtentwicklungsverwaltung wie auch von der Senatsbauverwaltung waren keine Stellungnahmen zu erhalten. Offenbar fürchtet man im Senat, sich über ein Vorhaben öffentlich kritisch zu äußern, das dem Bundeskanzler als Museumstifter am Herzen liegt. esch